Das Weltentor

Rollenspielforen => Story Rollenspiel => Topic started by: Amilcare on 07. Oktober 2010, 15:44:35

Title: [Drathyn Sarethi] Asche und Blut
Post by: Amilcare on 07. Oktober 2010, 15:44:35
Zähmung der Bestie

Ein kalter Ostwind blies durch die dichten Baumkronen uralter Riesen, während die kleine Lichtung, deren Oberfläche kaum von den schwachen Strahlen der vollen Mondscheibe berührt wurde, von langsam tanzenden Nebelschwaden heimgesucht wurde.
Stille umgab diesen Ort wie ein schützender Mantel und all jene Waldbewohner, die so töricht waren die Lichtung in dieser Nacht aufzusuchen, hielten den Atem an, als sich ein mächtiger Schatten aus dem trüben Nebel heraus schälte.
Mächtig waren die Schritte der Bestie, stark ihr Antlitz, zerstörerisch ihre Fänge. Niemand hatte es seit jeher gewagt, sie herauszufordern, niemand, so war sich das Wesen sicher, würde es jemals wagen. Und so schritt sie dahin, mit Selbstsicherheit und Stolz im Antlitz, sie, die sie der Gefahr eine neue Bedeutung verlieh, ahnte nicht, dass sich noch etwas auf dieser Lichtung regte. Blind für den Schatten über ihr, der in einer Baumkrone mit der Nacht selbst verschmolz. Lediglich die roten, glimmenden Augen des Wesens verrieten seine Anwesenheit, während sich die nackte, aschfarbene Haut an die kalte Rinde des Baumes schmiegte. Tatsächlich war der Schatten um einiges kleiner als die Bestie unter ihm, auch wenn sich harte Muskelstränge, nur von etlichen Narben unterbrochen, über seinen ganzen Körper zogen.
Ein Rascheln, ein dumpfer Aufprall und die Bestie brüllte zornig auf, als sie merkte, dass sich etwas auf sie fallen ließ und sie im Nacken packte. Mit einer kraftvollen Bewegung ihres Leibes schüttelte sie den Schatten von sich, der gegen den mächtigen Stamm des Baumriesen prallte, dessen Blattwerk ihn zuvor noch verbarg. Sie fletschte die mächtigen Reißzähne und drehte sich zu dem Schwächling um, der es wagte, sie herauszufordern. Ihre kräftigen Hinterläufe gingen in die Tiefe, nur um nach oben zu schnellen und den mächtigen Leib mit einem Satz zu dem Angreifer zu katapultieren. Ein unmenschlicher Schmerzensschrei durchbrach die stille des Waldes und vertrieb all jene, die noch so tapfer gewesen waren und den ungleichen Kampf zwischen Mann und Wolf verfolgt hatten. Scharfe, riesige Zähne zogen sich über weiches Fleisch, als der Schatten im letzten Moment dem verheerenden Angriff der Bestie auswich. Er rollte sich zur Seite, kam seinerseits mit einer fließenden, fast schon anmutigen Bewegung auf die Füße und sprang los, seinen Leib gegen die Seite der Bestie rammend. Das Biest jaulte auf, als es von dem vollen Gewicht des Angreifers getroffen wurde, und geriet für einen Lidschlag ins taumeln.
Der Schatten sprang zurück und blickte der Bestie, welche sich wieder gefangen hatte und ihm mit gefletschten Zähnen und einem tiefen Knurren erneut gegenüber trat, in die Augen. Gelb traf auf Rot und beiden wurde klar, dass der eine den Sieg mit sich brachte, der andere jedoch den Tod.
Der Schemen ging in die Hocke und stützte sich auf seine Arme, die Bestie tat es ihm gleich und setzte erneut zum Sprung an. Klatschend trafen sich die Leiber in der kalten Nachtluft, doch der mächtige Körper der Bestie war zu stark, zu kräftig, als dass er vom Schatten bezwungen werden konnte. Mit einem weiteren, siegessicheren Knurrlaut begrub das Biest den Aschfarbenen unter sich. Niemand würde sich ihr für lange Zeit in den Weg stellen, niemand würde es mehr wagen, sich Auge in Auge mit ihr zu messen, wenn sie ihrem Angreifer nun ein schnelles Ende bereitete.
Ein Knacken wie von brechendem Knochen erfüllte plötzlich die Stille der Lichtung und kurz darauf verlieh der mächtige Wolf seinem Schmerz mit einem jaulenden Schrei Ausdruck. Mit Pein und Überraschung in den Augen zog sich der muskelbepackte Leib von dem sich nun weg rollenden Schemen zurück und brachte humpelnd Platz zwischen sich und seinem Angreifer. Dieser kam behände wieder auf die Beine, stützte seinen von der Bisswunde des Wolfes aufgerissenen, blutigen Oberkörper auf die muskulösen Arme, während er mit einer schnellen Kopfbewegung seine Nackenwirbel wieder in Position brachte.
Sanftes Rascheln ertönte, als der Wind die Blätter der Bäume streichelte und sich die beiden Kontrahenten, verletzt und angeschlagen, gegenüber traten. Es schien, als würde die Zeit für einen Augenblick anhalten, sich für einen Lidschlag weigern sich weiter zu drehen, während die Bestie, begleitet von einem tiefen Grollen und ungeachtet ihrer Schmerzen, auf den Aschfarbenen zu stürmte. Fleisch traf erneut auf die scharfen Fänge, als der Aschfarbene auszuweichen versuchte, doch die Bestie hatte das Manöver erahnt und schloss ihre Kiefer mit kalter Wut um den dünnen Leib des Schattens. Wieder ein Aufschrei, gefolgt von einem brachialen Hieb beider Fäuste auf die Nase des Ungetüms. Das Biest ließ von dem Schemen ab, als sie merkte, wie ihr langsam das Blut der Nase in die Lungen floss, unfähig es hinunter zu schlucken. Zum ersten mal, seit sie diesen Wald heim suchte, spürte sie etwas, dass ihren von tierischen Instinkten geleiteten Geist lähmte, das, einer unaufhaltsamen Bedrohung gleich, in ihre Glieder kroch und sie ins Taumeln brachte. Todesangst erfüllte sie, während sie quer über die Lichtung stolperte und humpelte, um mit einer unnachahmbaren Endgültigkeit an dem Stamm des Baumes, von welchem ihr Peiniger herab gesprungen war, zusammenzubrechen.
Der aschfarbene Elf, welcher von der Bestie in ihrer Wut über die gesamte Lichtung geschleudert worden war, kniete, blutüberstromt und von Wunden übersäht, nahe des schwer atmenden Leibes des riesigen Wolfes. Mit einem steinernen Gesicht fuhr er über seinen zerissenen Leib und spürte, wie der kalte Griff des Todes ihn erfasste und sich ein dunkles Tuch langsam über seinen Blick legte.
Kurz darauf erfüllte ein verzerrtes Lachen den Wald und durchbrach dessen Stille, ehe der bebende Körper des Elfen, von seinen Wunden darnieder gestreckt, langsam ins Gras glitt, während eine ewige Finsternis sich über seinen Geist legte.
Title: Diebe und Narren
Post by: Amilcare on 19. Februar 2011, 15:47:59
Langsam erhob er sich von seinem kargen Lager, befreite sich geschmeidig von den Armen und Beinen der zwei nackten Leiber, die zu beiden Seiten von ihm lagen. Das Bett knarzte bei seinen Bewegungen und eine der beiden Frauen seufzelte im Schlaf. Drathyn betrachtete sie. Sein Blick war noch immer verschwommen, so dass er kaum eine einprägsame Einzelheit an ihr ausmachen konnte. Es war ohnehin egal, sie war ein Mensch, eine Dirne und an ihr war nichts, das lohnenswert genug wäre, um es in Erinnerung zu behalten.
Mit langsamen Schritten durchquerte er das schäbige Zimmer, dessen Decke und Wände mit Rissen und Schimmel übersäht waren. Zwei Lidschläge später stand er vor den einzigen Einrichtungsgegenständen des Raumes, ein dreckiger Wandspiegel, darunter eine schäbige Kommode, auf der eine staubige Flasche mit grünem Inhalt und ein hölzener Becher, einige Stücke Würfelzucker, ein Dolch, eine Packung Zündhölzer und eine Schale mit siffigem Wasser platziert waren. Er schloss die Augen, um den Schwindel, der von seiner verschwommenen Sicht hervorgerufen wurde, zu unterdrücken, und sog die brackig feuchte Luft ein. Hier im Hafen roch es überall gleich. Der Gestank von Verzweiflung vermischte sich mit süßlicher Fäulnis und dem Geruch des Meeres. Und wahrscheinlich, so dachte sich Drathyn, wurde deshalb das Gesindel stets vom Wasser angelockt und baute seine kargen Bretterbuden darum, in der Hoffnung, dass der Geruch der See den Gestank ihres eigenen Unrates übertünchen würde.
Er öffnete die Augen und ergriff einen der Zuckerwürfel. Einige Augenblicke betrachtete er diesen verschwommen in seiner rechten Handfläche, drehte ihn mit dem linken Zeigefinger hin und her. Redoran.
Mit einer schnellen Bewegung ergriff er den Dolch, legte den Zuckerwürfel auf die Klinge, nahm die Flasche mit der grünen Flüssigkeit in die andere Hand und goss einiges davon über den Zucker in den hölzernen Becher. Mit einer weiteren Bewegung ging ein Zündhölzchen in Flammen auf und entzündete den Würfelzucker. Mit geneigtem Kopf betrachtete er den Zucker dabei, wie er langsam karamellisierte und in den Becher glitt. Als nichts mehr übrig war, versenkte er die Dolchspitze in der Flüssigkeit des Bechers und rührte. Wieder einmal fiel sein Blick auf den Spiegel und das darin enthaltene Bild. Eine verschwommene Gestalt blickte ihn mit glasig roten Augen an, der aschefarbene Oberkörper von alten und frischen Narben übersäht.
Dieses etwas, das er dort im Spiegel sah, war einst etwas großes gewesen, dachte er sich. Ein Krieger, erfüllt von Ehre und Stolz, Mitglied eines berühmten und gefürchteten Hauses. Er hatte seiner Bestimmung den Rücken gekehrt, wurde als Verräter beschimpft, als er im Süden für ein anderes Haus Sklaven einfing. Gequält und getötet. Vielen der zukünftigen Sklaven musste man zuvor schon Gehorsam einprügeln und die Kinder der Tiermenschen, die nicht für den Abtransport geeignet waren, erschlagen, bevor sie eines Tages alt genug waren um Rache zu üben.
Er setzte den Becher an die Lippen, schloss die Augen und trank. Die grüne Fee brannte ihm die Kehle hinab und schien für einen Moment seinen Geist zu beflügeln, ehe auch dieses Gefühl von der Leere in ihm verschlungen wurde.
Sen-Ra. Er war der einzige gewesen, der Rache geübt hatte. Drathyns gesamten Trupp hatte der Argonier nach und nach aus dem Hinterhalt dezimiert, bis nur er übrig gewesen war. Geschwächt und vergiftet hatte er es in das Lager zurück geschafft und musste dort wochenlang ausharren, geschüttelt von Fieberkrämpfen, während das Gift in seinen Innereien wütete.
Ein weiterer Schluck, ein weiterer Moment.
Es war schlussendlich zu einfach gewesen, Sen-Ra zu schlagen. Die Macht seines Volkes war zu präsent gewesen und es war damals ein Leichtes, Sen-Ras Heimatdorf auszumachen, sobald Drathyn vom Gift genesen war. Er hatte nach und nach die Einwohner getötet, sie gefoltert, ehe Sen-Ra sich stellte. Grauenvolles wurde ihm dann angetan, unaussprechliches, selbst für die an Grausamkeit gewöhnten Dunmer. Eine Abschreckung für all jene, die sich dem Haus Dres entgegen stellten. So war ein großer Krieger der Argonier gegangen, nicht im Kampf, sondern in Erniedrigung und Schmerz.
Pochender Schmerz. Er betrachtete seine verschwommene Faust und den zerbrochenen Spiegel, in der sie steckte. Blut quoll in dicken Rinnsalen aus den Fingern. Er zog die Faust zu sich heran, hielt sich die nun offene Hand vor die Augen und betrachtete sie. Mit einem weiteren Schluck leerte er den hölzernen Becher in der anderen Hand und stellte ihn ab.
Kontrolle. Es war das einzige, das ihm blieb. Die Kraft seines Geistes, der seit jeher stärker war als der seines Volkes. Jede Wunde verheilte und mochten auch die Narben schmerzen, so waren sie nichts weiter als verschwommene Erinnerungen.
Wieder fiel sein Blick auf den zertrümmerten Spiegel und auf das verzerrte Gesicht darin. Der Mund war zu einem entstellten Lächeln verzogen und entblößte die weißen, spitzen Eckzähne.
Ein Narr und Dieb war er, aber ein Narr und Dieb unter Kontrolle.