[Thrandir] Auf der Suche nach dem Schicksal

Started by Caelryn, 19. August 2009, 00:04:18

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Caelryn

Prolog

Silbrigmond. In zwei Tagen würde es soweit sein. Der Tag, an dem sich entscheidet, ob sich achtzig Sommer des stetigen und schweißtreibenden Trainings endlich auszahlen würden; ob er den hoch gesteckten Erwartungen seines Vaters gerecht werden würde - oder nicht. Lange zuvor hatte er bereits damit begonnen, sich auf die finale Abschlussprüfung vorzubereiten, mental sowie körperlich, sowohl im Umgang mit der Klinge, als auch des Bogens. Schließlich müsse alles perfekt ablaufen; jeder Anwärter bekommt nur eine einzige Chance, und diese gilt es zu nutzen. Was müsse sein Vater nur von ihm denken, würde er tatsächlich ..., jegliche Gedankengänge hinsichtlich der bevorstehenden Tage lösten sich plötzlich vor seinem geistigen Auge auf; die Reverie hatte ihn nun vollends übermannt.

I

Dunkelheit. So schwarz und erdrückend, dass man meinen könnte, sämtliche Lichter dieser Welt, die einem jeden Lebewesen Wärme und Geborgenheit schenken, wären für immer erloschen. Eine Stille, die so endlos und tot wirkte, dass es ihn beinahe in den Wahnsinn trieb.

".. nicht stark .. genug ..", flüsterten ihm Stimmen - Stimmen, welche er nie erhofft, vor denen er sich jedoch immer gefürchtet hatte.
".. enttäuscht .. alles umsonst ..", klagte sie erneut, begleitet von einem bitteren, wenngleich auch vertraut wirkenden Unterton.

Als die Worte sich bis ins Unermessliche zu steigern schienen, entschloss er sich - nein, vielmehr zwang er sich dazu - die Augen zu öffnen, um diesem unerträglichen Albtraum endlich ein Ende zu bereiten. Die Augenlider bis zur Hälfte öffnend, blendete ihn ein warmes, orangefarbenes Licht; er hieß es herzlich willkommen, zumal es ihn, wenn auch nur für wenige Sekunden, diesen Traum - er hatte vorher noch nie geträumt - aus seinem Gedächtnis verbannte. Das leise, unregelmäßige Knistern des Lagerfeuers, was er nunmehr, mit aufgeschlagenen Lidern, erkennen konnte, half ebenfalls dabei, seine schreienden Gedanken für kurze Zeit zum Verstummen zu bringen. Das Gefühl erdigen Bodens unter seinen ausgebreiteten Händen, der würzige Geruch nach getrockneten Pflanzen - Kräuter, die er allesamt nicht einzuordnen vermochte - lag in dem erfrischend wirkenden Luftzug. Die Höhle, wie er schnell feststellte, zeigte einen unerwarteten Charakter: während sich an der gegenüberliegenden Höhlenwand kleine Schränke mit daraufstehenden Töpfen und allerlei häuslichem Krimskrams befanden, lagen in einer anderen Ecke ein halbes Dutzend ausgebreiteter Matten - alles in allem für längere Aufenthalte vorgesehen, nahm er an. Als er den Oberkörper aufrichten wollte, um mehr von dieser kleinen, provisorischen Zuflucht in Erfahrung zu bringen, schoss ein so stechender Schmerz durch seine Brust, dass in ihm schnell die Befürchtung keimte, schlussendlich doch mitten in eine Behausung einiger Goblins geraten zu sein - doch nicht nur die zivilisierte Austattung (seit wann schlafen Goblins auf Matten, geschweige denn benutzen Töpfe zum Zubereiten ihrer Nahrung?) trug dazu bei, bald sämtliche Gedanken in dieser Richtung abzuschütteln; nein, vor allem der mit Schmutz und Blut befleckte Verband, ganz offensichtlich von fachkundiger Hand um seinen Oberkörper gewickelt, weckte nun die schlimmen und angsteinflößenden Erinnerungen der vergangenen Stunden, von denen er geglaubt hatte, es wären seine letzten gewesen - und plötzlich, für den Bruchteil einer Sekunde, wünschte er sich, dass er bei der Befürchtung hinsichtlich der Goblins doch nur Recht gehabt hätte ...

Und so stürtzte er in den nächsten Albtraum.


Thrandir Ari'thil - "Rückschläge sind unvermeidbar, und oft gehen wir gestärkt aus ihnen hervor."

Caelryn

#1
II

Es waren nur so wenige Fingerbreiten, dass er sogar den zischenden Luftzug spüren konnte, als der anfliegende Pfeil seinen Kopf nur knapp verfehlte. Intuitiv ging er hinter dem nächstgelegenen Fels in Deckung, wenngleich er auch nicht einmal genau wusste, aus welcher Richtung das Geschoss überhaupt kam. Ihn begleiteten zwei Personen, ein Mann von kräftiger Statur und eine Halbelfe, deren Gesichter er nun allerdings seltsamerweise nicht mehr zuordnen konnte; sie waren stark verschwommen und ließen eine genauere Identifizierung nicht zu. Sie gestikulierten wild, ihre Münder formten anscheinend hitzige Worte, ohne dass allerdings auch nur ein einziges an sein Ohr zu dringen vermochte. Allgemein herrschte hier eine unnatürliche Stille, befanden sie sich doch offenbar inmitten eines Hinterhalts. Wie auch immer, er hatte nach dem Kampf genug Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, und so zog er seine Klinge, hechtete aus seiner Deckung hervor und trat dem ersten Gnoll - er fragte sich, wie diese übergroßen Kreaturen ihn so hatten überraschen können - entschlossen gegenüber. Als jedoch die Klingen aufeinanderprallten, vernahm er auch hier keinen Laut, nichts, nur der zurücktaumelnde Körper des Gnolls kündigte vom Erfolg seines Präventivschlags. Die Gelegenheit am Schopfe packend, schnellte er vor, hob die Klinge und trennte mit einem sauberen Schnitt den Kopf von den Schultern des noch immer desorientiert umherlaufenden Geschöpfs. Der Anblick des nach hinten sackenden Körpers ließ sein Adrenalin weiter aufkochen, und als er sich nach dem nächsten Opfer umsah, welches so naiv sein könnte, sich ihm in den Weg zu stellen, hörte er bereits das unglücksverheißende Zischen eines weiteren Pfeils. Noch ehe er in irgendeiner Art und Weise reagieren konnte, seine Glieder waren auf einmal wie gelähmt, rammte sich der Pfeil in seine rechte Schulterpartie. Jetzt erkannte er auch die hässliche Fratze des Gnolls, welcher den Pfeil von der anderen Brückenseite auf ihn abgefeuert hatte, und fühlte sich von dessen verspottendem Gelächter bis ans Ende gedemütigt. Während er langsam auf die Knie sackte, spannte die diabolisch grinsende Bestie bereits ein nächstes Geschoss auf ihren Bogen auf und zielte. Dem Elfen wurde es allmählich schwarz vor Augen, Blut rann aus den Seiten der Wunde, und bald war alles, abgesehen vom Gnoll, aus seinem Sichtfeld verschwunden. Er wusste nicht, ob seine Begleiter überhaupt noch am Leben waren, ihm vielleicht zu Hilfe kommen; und er betete bei Corellon, dass sie nicht derart beherzt handeln würden. Grässlich lachend lies der Gnoll den Pfeil schließlich los, und bevor jener ihn schlussendlich erreichte ... verdunkelte sich sein Blickfeld gänzlich.

".. und wieder hast du versagt.", verhöhnte ihn die Stimme. Und auch dieses Mal wusste er, wem sie gehörte.

Schreiend fuhr er hoch. Sein Puls raste und warmer Schweiß rannte seine Stirn hinab, hinterließ im Mondschein mattglasige Spuren. Er sah sich zögernd um; hinter dem nächsten Hügel war Weilersbach, das wusste er. Ebenso erinnerte er sich daran, unter diesem Baum, der selbst jetzt, bei vollem Mondschein, seinen dunklen Schatten über ihn warf, vor wenigen Stunden mit der Meditation begonnen zu haben. Mit bitterer Miene rappelte er sich entschlossen auf die Beine.
Dann verschwand er in der Dunkelheit des nahegelegenen Waldes.
Er würde diese Stimme zum Schweigen bringen.
Thrandir Ari'thil - "Rückschläge sind unvermeidbar, und oft gehen wir gestärkt aus ihnen hervor."

Caelryn

III

Etwas zuckte, einem Blitz gleich, durch seinen gesamten Körper. Selbst er, als Tel'Quessir, konnte nun die nähere Umgebung nicht mehr vollständig wahrnehmen, als sich eine unnatürliche, offensichtlich magisch verstärkte Dunkelheit über ihn legte. Vor ihm taten sich die schemenhaften Umrisse eines Mannes auf, der, durch die dunklen Farben seiner Rüstung, mit der ihn umgebenden Dunkelheit nahezu verschmolz.

"Siehst du diesen Mann dort..?", meldete sich flüsternd eine Stimme in seinem Kopf zu Wort. Es war nicht jene, die ihn manches Mal in seinen Träumen heimsuchte, soviel stand fest. Sie klang weitaus geheimnisvoller und gleichsam so .. zutraulich.

Gebannt lauschte er den vielsagenden Worten in seinem Kopf, die vage Gestalt des Mannes ihm gegenüber mit dem Blick fixiert haltend.

"Du solltest .. schnell reagieren, bevor es zu spät ist.", fuhr die leise Stimme fort,
"Bevor er dich tötet."

Seine Finger zuckten, und er griff langsam zum Köcher, einen gefiederten Pfeil herausziehend. Indessen war er fanatisch auf sein Gegenüber fokussiert; zumindest könnte das der Grund dafür gewesen sein, dass er derweil keinerlei klare Gedanken fassen konnte - oder nicht? Mit schier endloser Geduld legte er den Pfeil auf die Sehne und hob den Bogen an, gen seines Gegenübers, was die schemenhafte Gestalt erstmals dazu veranlasste, Worte zu brüllen, die ihm jedoch nur als ein unverständliches Nuscheln überbracht wurden. Den Mann fest im Blick haltend, spannte er den Bogen erst leicht, dann immer stärker; noch immer reagierte die Gestalt nicht, welche er mittlerweile als Mensch hatte identifizieren können. Erst als der Elf zu zielen begann, zeigte die Gestalt Reaktion und begann mit den Händen wild in seine Richtung zu gestikulieren. Mit emotionsloser Mimik entließ er schließlich den Pfeil; im gleichen Moment glimmten die Hände seines Gegenübers bläulich auf und schleuderten dem Elfen vibrierend einen leuchtenden Strahl entgegen.

Thrandir sah noch, wie der Pfeil wuchtig in die Brust des Mannes einschlug, ehe das Licht ihn traf. Was auch geschehen würde, er hat sein Ziel nicht verfehlt. Doch anstatt in Schmerz und Leid aufzugehen, durchdrang ihn die Magie, wenngleich auch etwas erschütternd, auf warme und angenehme Weise. Das Flüstern begann zu verstummen, der dunkle Schleier um ihn herum lichtete sich.

Dennoch sank der Elf auf die Knie, mit ungläubig verzerrter Miene.
Die Gestalt war nun klar ersichtlich; und mit großem Schrecken erkannte er das Gesicht des Mannes, in dessen Brust nun der Pfeil steckte - es war Leon.
Thrandir Ari'thil - "Rückschläge sind unvermeidbar, und oft gehen wir gestärkt aus ihnen hervor."

Caelryn

IV

Der Baum spendete ihm Schatten, während seine Gedanken um Quilenes letzte Worte kreisten. Die Offenheit und den Mut hatten in ihm durchaus Bewunderung hervorgerufen, wenngleich er dies aber niemals willentlich zugeben würde. Auch rüttelte jenes Geständnis ihrerseits sein derzeitiges Weltenbild ziemlich durcheinander, und er erinnerte sich an eines der Gedichte aus den Bibliotheken Silbrigmonds, welches seine Einstellung gegenüber den Ssri'Tel'Quessir damals doch so nachhaltig geprägt hatte ...

Licht und Schatten
   
Einst war es ein Volk
mit Ruhm und mit Ehr
doch Missgunst und Gier
erschufen ein Heer.

Die Elfen des Lichts
verblieben im Leben,
den Anderen wurden
die Höhlen gegeben.

Elfen des Schattens
unter die Erde verbannt,
haben ihr Schicksal
selbst in der Hand.

Gebleicht ihre Haare,
und dunkel die Haut
haben sie doch Lloth
als ihre Braut.

Die Witwe in Schwarz
sie verehren die Spinne
verhalten sich böse
ganz in ihrem Sinne.

Doch wohl ihre Stimmen
und herrlich die Lieder
erkennt man die Schatten
der Bosheit nicht wieder.

Sie begannen den Kampf
um Herrschaft und Land
und wurden von Anderen
in die Einsamkeit verbannt.

Dort wuchs ihre Zahl
und wuchs ihre Wut
Menschen flohen
und sind auf der Hut.

Foltern und quälen
das ist des Drows Kunst
schleichen um Häuser
versteckend im Dunst.

Ein Fremdwort die Liebe
und Freunschaft ein Feind
verhasst ist der Friede
Hass sie vereint.

Elfen des Schattens
gegen Elfen des Lichts
gehen einen Weg
des Leids und Verzichts.

Doch immer wird siegen
das Gute, das Helle
denn uns ist der Sieg
unsere Liebe die Quelle.

                 
                                                                                                                                                              (© Susanne Schocke, Drowgedichte)
Thrandir Ari'thil - "Rückschläge sind unvermeidbar, und oft gehen wir gestärkt aus ihnen hervor."

Caelryn

V

Die Flut an Gefühlen und die mit der Zeit unerträglich werdende Hitze überwältigten ihn beinahe. Hinzu kam das leise Pochen in seinem Schädel, anfänglich kaum spürbar, mittlerweile jedoch kaum auszuhalten, und es drohte ihm, das Bewusststein zu rauben. Er hielt die Augen fest geschlossen, kleine Schweißperlen bahnten sich ihren Weg über sein Gesicht und seine nackte Brust, hinterließen im warmen Kerzenschein mattglasige Streifen. Wenngleich er sich innerlich immer wieder zur Ruhe ermahnte, konnte er weder einen klaren Gedanken fassen, noch sich darauf besinnen, was hier gerade vor sich ging. Selbst die Fülle an angenehmen Gefühlen konnten den dichter werdenden Nebel in seinem Kopf nicht verdrängen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis .. Plötzlich versagten sämtliche seiner Sinne, die Gefühle verschwommen langsam, bis sie schließlich zur Gänze verschwanden ...

Mit genauer Sicherheit konnte er nicht sagen, wie lange er ohnmächtig war, als er die Augen aufschlug. Auf einer Couch liegend, befand er sich in einem kleinen, spartanisch eingerichteten Zimmer. Auf dem niedrigen Tisch neben ihm stand eine erloschene Kerze, deren Wachs aber offenbar vor kurzem erst getrocknet ist. Er sah an sich hinab, über seinen nackten Oberkörper und die schlichte Stoffhose, bis hin zu den freiliegenden Zehenspitzen.

War es wieder nur ein Traum?

Thrandir Ari'thil - "Rückschläge sind unvermeidbar, und oft gehen wir gestärkt aus ihnen hervor."

Caelryn

#5
VI

Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen, und nur der matte Mondschein erhellte in einem schwachen, beinahe schon gespenstisch anmutenden Licht die Südlande, ließ das karge Gebirge einen bedrohlichen Schatten über die staubige Wüstenlandschaft werfen. Und inmitten dieses unwirtlichen Landes, das vielerorts schlicht unbewohnbar war, schritt ein Schemen durch den sich allmählich abkühlenden Sand, vom hereinfallenden Schatten der Berge gänzlich vermummt. Die verdunkelte Gestalt, gehüllt in eine Rüstung, die nicht annährend die Primitivität ihrer Umgebung teilte, sondern vielmehr geübter Handwerkskunst entsprungen sein musste, stoppte auf einem kleinen Felsvorsprung. Hier wich der Sand bereits einem festeren, steinigeren Untergrund, und obwohl die Stiefel des Mannes teils aus Leder, teils aus Metall bestanden, bewegte er sich trotz allem vollkommen lautlos, schritt bis zur Felskante und spähte in das darunter liegende Tal hinab, welches größtenteils von Berghängen umgeben war. Auf den ersten Blick unterschied sich dieser Ort nicht sonderlich vom Rest des Gebirgsrandes, auch hier fand man augenscheinlich nichts außer kargem Fels und beinahe schon bedrückender Stille, die nur gelegentlich vom leise rauschenden Gebirgswind unterbrochen wurde.

Und doch .. war das Gehör ausgeprägt genug, konnte man in Zeiten, in denen der Wind kurz zur Ruhe kam, leise grunzende Laute direkt unterhalb des Felsvorsprungs erhaschen, und mit geübtem Blick die dazugehörigen Schemen ausmachen. Es waren vielleicht zwei, drei .. nicht mehr als vier Geschöpfe, die sich offenbar vom Rest der umherziehenden Untierhorden getrennt hatten. Derartige Ansammlungen von Goblins, Gnollen, Orks und noch weitaus schlimmerem sind in diesem verlorenen Land nicht selten, und die dunkle Gestalt hoch oben auf dem Felsvorsprung erinnerte sich sogar an neuere Vorstöße in benachbarte Ländereien ..

Doch das war nicht von Belang. Jetzt zumindest nicht mehr. Mit einer Bewegung, die die aufkommende Vorfreude auf das Bevorstehende erahnen ließ, zog die Gestalt eine Klinge vom Rücken, deren elfische Schriftzeichen das sich spiegelnde Mondlicht matt reflektierten. Den Blick starr auf die ruhenden Schemen haltend - vermutlich brauchten selbst diese Bestien ein Mindestmaß an Schlaf - schritt er den schmalen Pfad hinunter ins Tal, den Klingengriff dabei fest umschlossen.

Unter dem verhüllenden Kapuzenstoff verbarg sich ein Gesicht voller Zorn und Schmerz.
Thrandir Ari'thil - "Rückschläge sind unvermeidbar, und oft gehen wir gestärkt aus ihnen hervor."