[WB] Im Gästezimmertrakt der Fam. Dimpelmoser

Started by Nemhglan, 23. Juni 2006, 18:51:24

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Nemhglan

Keuchend stürmte Ruarc durch den Wald, den Bogen fest im Griff, doch mit jedem Schritt wurde er, für ihn, scheinbar langsamer. Die Sträucher schienen förmlich nach ihm zu greifen. Jeder Schritt versank tief im weichen moosigen Waldboden. Die langen dürren trockenen Waldgräser wickelten sich wie kleine zähe Schlingen um die Waden.

Noch nie hatte er den Wald so lästig gefunden wie in diesem Moment. Er spürte jeden Zweig. Jedes Blatt, das ihn und den anderen die Zeit raubte. Da! Wieder schlug ihm ein zurück schnellender Zweig des Vordermanns auf den Körper. Und wieder! Die Blätter eines Busches streiften sein Gesicht. Für ihn war es keine Blätter, sondern Dornen, die ihm jegliche Energie aus den Adern zogen und Zeit stahlen, und das gerade in diesem Moment, wo doch jeder Augenblick alles zu spät sein konnte und Shars dunkler Mantel sie umzingeln würde.

Die Schatten der Bäume schienen förmlich in Zeitraffer zu wachsen. Und Zeit war eigentlich das Kostbarste was sie hatten. Jeder hätte wohl alles gegeben, um sich im schalen, aber wärmenden, Lichte des Lagerfeuers bei etwas aufgewärmten Brei, zu aalen, als durch den nasskalten Wald zu eilen, wo der Feind aus jedem der stetig wachsenden Schatten auftauchen könnten.

Und die Schatten der Bäume wurden länger, mit jedem Schritt den die Gruppe tat, wuchsen die Schatten bis sie mit der einbrechenden Dunkelheit in einander verschmolzen. Und Shars Mantel umfing sie – mit all ihren Gefahren und Tücken.

Ebenso wie die Sterne am Firmament auftauchten, wuchsen die rotglühenden Augen in den Schatten der Dunkelheit. Für Ruarc hatte es den Anschein, dass sie umzingelt waren. Er sah überall die rotglimmenden, in Paaren schwebenden ,,Glühwürmchen". Doch plötzlich befreite sich unter einem dieser Paar ,,Glühwürmchen" ein breites schneeweißes Lächeln, oder war es ein Grinsen?

Alles um ihn verwusch sie. Es kam ihm so vor, als drehte er sich wie früher – als Kind – zu schnell im Kreis. Die nächtlichen Konturen verschwammen in einem streifengeladenen Brei, doch noch immer war etwas in diesen Brei zu erkennen. Ein Bolzen löste sich aus dem Brei und hielt Ziel auf ihn.

Wie versteinert stand er da, den sich in er Luft herbeischraubenden Bolzen genau im Auge, jeden Millimeter sah er ihn sich auf ihn hinzuwinden. Dann verschwand der Bolzen im einheitlichen Brei zwischen den Schlieren der Schatten.

Wild suchten seine Augen nach Konturen und fanden nur ein Paar rot glühender Augen, die plötzlich herunter fielen - nicht bis zum Boden, sondern ungefähr auf seine eigne Augenhöhe. Ein kurzer Wimpernschlag...

Ihm stockt der Atem. Ein Kloß hing ihm im Hals und er jappste nach Luft wie ein Lachs, der auf seiner Laichreise stromaufwärts auf dem Trocken gelandet war und plötzlich drehte sich alles und die Welt verlor sich in Schlieren...

...die Welt blieb stehen... Und er sah... Er sah sich. Mit angsterfüllten Augen blickte er in die Dunkelheit, genau einen Punkt anstierend. Genau den Punkt, von dem sich der Bolzen löste. Sein Blick löste sich und folgte dem Bolzen, als wäre er selbst der Bolzen, der sich selbst auf sich selbst durch die Luft zuschraubt und dabei sein eigenes Entsetzen sieht.

Er sah sich selbst, die Augen geweitet. Mit jeden Zentimeter, den er sich durch die Nacht bewegte, wuchs der Schrecken in seinem Gesicht, was er auf den Schwingen des Bolzen sah. Ein kurzer Wimperschlag um den Schrecken von den Augen zu wischen...

Mit einem Wimpernschlag änderten sich die Farbe des Augenpaars und sie verdoppelten sich. Aus den einem roten Augenpaar wurde zwei gelbe, die ebenso den Schein der Nacht durchbrachen und ihn anstarrten.

Dann wieder den panischen und angsterfüllten Blick auf den sich nähernden Bolzen und die Welt drehte sich wieder und er saß auf dem Bolzen und blickt auf das selbe angsterfüllte Gesicht, die selben erschrockenen Augen. Doch irgendwie schien sich das Gesicht zu ändern. Mit jeder Umdrehung, die der Bolzen in der Luft tat, veränderte sich das Gesicht.

Es alterte. Der Bolzen schlug in der Schulter ein. Ein lautloser Schrei entwich ihm. In der Hoffnung, das ihn jemand hört.


Schreiend und schweißgebadet schnellte er vom Bett hervor, fast ohne Besinnung jappste er nach Luft und blickte panisch um sich und suchte Halt und Orientierung im Dämmerlicht, das ihm umgab. Nur ein Traum. Nur eine Erinnerung aus alten Tage. Er war sicher in den Gästezimmern der Familie Dimpelmoser.
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