[Nutmeg - Hafen] Dunkle Hexerei und tobrisches Allerlei

Started by Amilcare, 16. August 2012, 22:28:31

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Amilcare

"Vom Pech verfolgt" dachte er sich. Es schien nicht ungewöhnlich, dass Iotar in einem seiner vielen Rauschzustände benebelt durch Fürstenborn und Umgebung wankte, dabei hier und da Blessuren davon trug und manchmal in ein richtiges Unglück hinein torkelte. Dennoch, die letzten Tage schienen ungewöhnlich schlecht gewesen zu sein. So hatten eben jene Unglücke und Ungeschicklichkeiten ihn nicht nur heimgesucht während er unter starkem Alkoholeinfluss stand, und er hatte viel davon getrunken, nein, auch in den wenigen, klaren Momenten, in denen sich die Droge und sein karges Essen auf andere Art ihren Weg aus seinem Körper bahnten, hatte er unglaublich schlechte Stunden erlebt. Von einem tölpelhaften Wagenlenker fast überfahren, von den städtischen Ratten mit Flügeln als besten Platz für ihr Geschäft missbraucht, ja, er war sogar in einen verdammten, rostigen Nagel hinein getreten und derjenige, der nur einige Schritt entfernt die Straßen säuberte, lachte ihn nicht nur aus, nein, er spuckte ihm auch noch an... natürlich unabsichtlich. Auch war Iotar um das Wissen bereichert worden, wieviele lockere Pflastersteine in Fürstenborn zu gefährlichen Sturzfallen wurden... es waren schmerzlich viele.
Aber das war nicht einmal das Beunruhigendste, denn er hatte einen absonderlichen wie gefährlichen Drang entwickelt, der ihn ständig in die Nähe von brennenden Kohlepfannen trieb, nur um dort wie von Sinnen in die glühenden Kohlen zu greifen. Der Schmerz, den er dabei verspürte, schien grausam und betäubend zugleich, als würde die unerträgliche Hitze eine schwere Last hinfort brennen, alte, aber offene Wunden mit Feuer schließen, sodass sie nicht mehr eiterten.

Natürlich waren dadurch seine Hände in Mitleidenschaft gezogen worden, mehr als das, und als er sich nach seiner Ausnüchterung auf den Weg in die Elendsviertel des Hafens begab, nur bewaffnet mit zwei alten, aber immernoch scharfen Wurfmessern und einem beachtlich gefüllten Geldbeutel, der wohl nicht sein eigener war, nahm er sich die Zeit um an einem Marktstand preiswerte Handschuhe aus billigem Leder zu erstehen, denn er hatte durchaus die erschrockenen Blicke mancher Passanten bemerkt.
Es würde eine Weile dauern, bis der Halbelf den Hafen erreichte, speziell den letzten Heller, wo er mit seiner Suche beginnen wollte. Zuviele Kohlepfannen standen zwischen ihm und seinem Ziel und auch wenn der Drang nicht mehr so intensiv war, schien die Verlockung noch immer wie eine angenehmes Flüstern in seinem Kopf vorhanden.

Angekommen im Heller würde Iotar das tun, was er schon lange nicht mehr getan hatte: In jene Welt abtauchen, die immer und ewig sein Zuhause gewesen war. Er würde sich umsehen, hier und dort ein paar Fragen stellen, beobachten und Erkundigungen einholen. Nicht zu aufdringlich, aber durchaus stur, ein paar Münzen bereit für jene, die ihm tatsächlich helfen konnten. Gesucht wurde eine jener Personen, die sich mit Hexerei und verfluchtem Zauberwerk auskannten, es vielleicht sogar ausübten, aber nicht zu diesen stocksteifen Magiern in der Akademie gehörten. Diesen vertraute der Halbelf nämlich nicht, zuviel Bürokratie, zuviele Fragen. Aber er vermutete, dass es noch andere geben musste, im besten Fall in der Stadt, irgendwo in Reichweite, die vielleicht sogar ihre Fähigkeiten für Münzen feilboten...

Nutmeg

Und als Iotar in die Dunkelwelt des Hellers eintauchte, würde er von den Dunklen der Stadt bereitwillig aufgenommen werden, solange er Münzen sprechen ließ.
Da erfuhr er, dass es einmal eine Hexe gegeben hatte, aus diesem Aventuria oder wie das hieß. Margali Fa...Fhirn...naja, irgendwas unaussprechliches mit F war es gewesen, und von der wusste jeder, dass sie mit der Magierakademie nix am Hut gehabt hatte. Die hatte mal so einen Magieladen, Die Magische Truhe. Aber sie war auch schon länger weg, durchs Portal oder im Wald verschollen. So recht wusste das dann irgendwie doch keiner.

Dann gab es ja noch diese Del'aila, die piekfeine aus dem Turmviertel mit ihrem Schmuckgeschäft. Die war auch Hexe, hieß es. Auf jeden Fall handelte sie auch mit solch unheimlichen Magiekrams. Aber die hing mit diesen Lichtrichtern rum, und die waren teilweise ja Akademiemitglieder....da sollte er also vorsichtig sein, wenn er nix mit den Akademikern am Hut haben wollte. Vielleicht wisse man noch mehr, aber ...na, das wäre nicht billig, Kumpel.

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Und so wie Iotar suchte, suchte auch ihn jemand. Eine kleine, versucht unauffällige Gestalt, die immer mal wieder im Hafen rumstromerte, und auf einen günstigen Zeitpunkt wartete. Nämlich, wenn Iotar komplett betrunken in einer Ecke lag und sich nicht mehr rühren konnte.

Amilcare

Iotar machte bei den richtigen Personen darauf aufmerksam, dass er durchaus über einige "Ersparnisse" verfügte, hatte er sich zwar nach außen hin als spendabel erwiesen, in Wahrheit aber mit den Münzen aus dem Beutel gegeizt und nur das nötigste ausgegeben. Natürlich war er mit seiner Aufmachung nicht wirklich in der Lage, gegen Gleichgesinnte Drohungen auszusprechen, sowas hätte wohl nur im Fürstenviertel funktioniert und der Lohn wäre ein Kerkeraufenthalt gewesen. Auch waren seine Verführungskünste nicht mehr auf dem Stand, auf dem er sie zuletzt angewandt hatte... zu lange war es her. Also würde er in Erfahrung bringen, wieviel, oder was, es ihn kosten würde zu jemandes Namen zu erfahren, der keine Hexe war... zumindest keine, die sich gerne Rosenwasser ins Gesicht schmierte.

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Es dauerte eine ganze Weile, denn Iotar schien nicht nur ausgenüchtert, sondern auch willens genug, in nächster Zeit nicht zu schlafen oder zu trinken. So konnte die Gestalt wohl auch erkennen, wenn sie den Halbelf wirklich lange beobachtete, dass er nun eine, durchaus gut gespielte, Maskerade an den Tag legte... immerhin störte sich niemand im Hafen an dem gewöhnlichen Anblick eines Trunkenboldes ohne sonderlichen Besitz.
Es gab aber auch verstörende Dinge an dem Halbelfen, die ein wirklich ausdauernder und scharfsinniger Beobachter hin und wieder erkennen konnte:
Er schien die meiste Zeit normal, gut sein Schauspiel an den Tag legend, ehe er plötzlich von seiner Zielstrebigkeit abließ, zu einer Kohlenpfanne schritt, die Handschuhe abnahm und, einem Wahnsinnigen gleich, die Hände in die züngelnden Flammen streckte... und dort für einige Augenblicke ließ. Der Anblick seiner Züge bei diesem Schauspiel konnte im besten Fall als verstörend bezeichnet werden, blickte er doch einem Drogensüchtigen gleich, der gerade auf einem Trip war, auf seine Hände, ohne deutliche Anzeichen von Schmerzen erkennen zu lassen. Vielmehr Erleichterung, während sich die Flammen in seinen Augen seltsam spiegelten und das Fleisch seiner Hände weiter zerstört wurde.
Dann wiederrum schritt er vorwärts, hielt für einige Augenblicke inne und fing an mit einer unsichtbaren Partnerin einen Walzer zu tanzen. Immer wieder drehte er sich, mit versteinerte Miene, ehe er davon abließ, irritiert umsich blickte und weiter schlenderte. Auch kauerte er sich ein, zwei mal ohne Grund fast angstvoll in einer dunklen Ecke zusammen und hielt zu allen Seiten hin Ausschau, als würde er verfolgt... dann verschwand er, völlig spurlos, ehe er wieder auftauchte, als sei nichts gewesen, und seinen Weg weiter beschritt.

Dann, nach schier endlos langer Zeit, ließ er sich in einer Ecke irgendeiner verdreckten Hafengasse nieder, dort, wo er perfekt ins Bild passte, und fiel in einen unruhigen Schlaf, nachdem er sich den alten Strohhut tief ins Gesicht gezogen hatte. Sollte sich die Gestalt ihm nun nähern, wäre der Anblick, der sich ihr hier bieten würde, noch weit verstörender, wenn nicht gar erschreckender, als alles bisher beobachtete...

Nutmeg

Ein Haufen lumpiger Hafenarbeiter, mit denen Iotar wohl ins Gespräch gekommen war, tranken ruhig ihr Bier, ehe einer von ihnen, ein Hüne mit sandblondem Haar, mit der Zunge schnalzte.
Ich kenn' jemanden, der könnte sein, was du suchst. Aber das kostet 10 Heller. Direkt auf die Kralle, Kumpel.

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Die kleine Gestalt beschattete Iotar nicht so intensiv, als dass sie wohl die vielen verstörenden Seltsamkeiten mitbekommen hätte.
Eher schien sie sich mal einen Tag im Hafen aufzuhalten und nach ihm Ausschau zu halten - sein Strohhut war auffällig genug, um hoffen zu dürfen, ihn in der Masse zu finden - den anderen Tag hingegen war sie nicht im Hafen und dann wieder, um nach ihm zu suchen.
Würde die Gestalt in den weiten, sackartigen Kleidern und mit dem bäuerischen Kopftuch auf dem Kopf (diese Tracht sollte wohl dazu dienen, im Hafen als uninteressantes Geschöpf abgestempelt zu werden) Iotar schlafend in einer Ecke vorfinden, würde sie sich ihm in der Tat vorsichtig nähern.

Amilcare

"Fünf sind mehr, als du in einem ganzen Mond verdienst. Ich gebe dir sechs und dazu noch die Möglichkeit, zu mir zu kommen, wenn du mal etwas loswerden willst..."

Iotar wusste, dass in einer Hafenstadt unglaublich viel Schmuggel betrieben wurde und dass auch nicht selten einige Matrosen ihr Zubrot mit kleineren Schmuggeleien verdienten. Natürlich war es eine reine Vermutung, dass gerade dieser Hüne nebenbei ein paar nicht ganz so legale Waren loswerden musste, so er in Fürstenborn einlief, doch jemand, der aus einem abergläubischen Berufsstand stammte, zugleich aber von nicht ganz koscheren Magieanwendern wusste, die im Geheimen ihrem "Tagewerk" nachgingen, bewegte den Halbelfen zu obigen Angebot. Natürlich, so der Matrose hin und wieder schmuggelte, oder auf anderem Weg an heiße Ware gelangte, hatte er bereits einen, vielleicht mehrere, Abnehmer. Aber Iotar war auch bereits lange mit jenem Geschäft vertraut und sich somit sicher, dass es für Leute seines "Berufstandes" niemals genug Möglichkeiten gab Ware loszuwerden.
Wie er das ganze angehen würde, so der Matrose tatsächlich jemals bei ihm auftauchen würde, darüber schien er sich noch keine Gedanken zu machen.

"...man kann nie genug Freunde haben." fügte er dann mit einem schmutzstarrenden Lächeln hinzu, sich dem Risiko, das er nun einging, nicht mehr ganz so sicher... immerhin hatte der Fuchsgott in den letzten Monden keinen Gefallen mehr an ihm gefunden.

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Iotar war recht einfach in der Masse auszumachen, sicherlich aufgrund seines alten Strohhuts, aber auch, weil er sich wohl keinerlei Mühe gab in der Masse unterzutauchen, viel mehr verschmolz er mit ihr, aber mit einem wachsamen Auge war er stets erkennbar. Auch legte er keine Finten, bog in Gassen ab, in denen er irgendwelche Verfolger abhängen hätte können, nein, die Schwierigkeit bestand viel mehr darin, ob in bäuerischer oder anderer Tracht jene Orte aufzusuchen, die der Halbelf aufsuchte. Schmierige, rauchige Kaschemmen gefüllt mit allerlei schmutzig dunklem Volk, alte, zerfallende Häuser, manche davon Flüchtlingsbarracken, andere alte Mietskasernen in denen zahnlose, picklige Kerle ihre Mieter und Mieterinnen zwangen, sich die Miete auf spezielle Art zu verdienen.
Trotzdem, oder gerade deshalb, war es recht einfach dem Halbelf zu folgen und scheinbar viel schwerer als Verfolger seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Dann glitt er in besagte Gasse, während die Mittagshitze die Stadt lahm legte und die wenigen Meeresbrisen nur den Gestank des Hafens weiter trugen. Dort im Schatten einer Ecke schlief er ein, wohl ein kluger Schachzug, so man in der weit kühleren Nacht aktiv werden wollte.

Würde sich die Gestalt ihm nähern, könnte sie den Halbelfen in unruhigem Schlaf vorfinden. Wie tief dieser Schlaf war, konnte man nicht sagen. Das beunruhigende war jedoch das schmutzige Gesicht, in dem etliche schweißgetränkte, angeschwollene Adern derart langsam vor sich hin pulsierten, dass man dem sich darin bewegenden Blut zusehen konnte. War sein Gesicht rötlich gefärbt, wie im Fieber, so waren jene Adern feuerrot, als hätte der junge Halbelf eine Art Ausschlag, als wäre er mit irgendeiner Art von giftiger Pflanze in Berührung gekommen.
Hin und wieder schien er Schmerzen zu haben, aber ob diese psychischer oder physischer Natur waren, ließ sich nicht bestimmen. Auch murmelte er im Schlaf vor sich hin, wälzte den Kopf hin und her und änderte beim Flüstern hin und wieder die Stimmlage. Trotz allem schien er nicht aus seinen Albträumen aufzuwachen...

Nutmeg

Und der Hüne mustert Iotar.
Sieben. Letztes Angebot. Und ich glaub', du hast die Information, so wie du aussiehst, nötiger als ich den Zaster, Kumpel. Er hob beide Brauen herausfordernd und trank dann wieder einen Schluck, so dass das Bier ihm die Mundwinkel etwas herablief. Auf das Schmuggelangebot ging der Mann vorerst nicht ein.

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Die kleine Gestalt würde Iotar nicht an alle Orte folgen. Eigentlich konnte man wohl sagen, dass sie keinen anderen Plan hatte, außer, dass sie ihn abpassen wollte, wenn er schlief.
Und so würde sie ihm nicht an die dreckigen, dunklen, vor Verzweiflung nur so starrenden Orte folgen.
Aber würde sie ihn dann erwischen, wie er sich zum Schlafen niederlegte, so schlich sie leise an ihn heran, nur der dicke Stoff, mit dem sie ihr ungewöhnlich langes Haar und ihren dicken Leib verbarg, raschelte dabei etwas ob der Bewegung. Als sie bei Iotar angekommen war, schaute sie zuerst auf seine Hände, dann in sein Gesicht. Sie betrachtete nur kurz den verstörenden Anblick, ehe sie mit großen Augen umdrehte und mit einem leisen Quietsch-Schrei wegrennen wollte.

Amilcare

Einen Augenblick scheint der Halbelf zu überlegen und für einen halben Lidschlag ändert sich seine Mimik und der Ausdruck seiner Augen derart, als hätte etwas Abscheuliches für einen winzigen Zeitraum sein Gesicht als Maske übergezogen. Dann, so schnell, dass dem ganzen nur schwer zu folgen ist, entspannen sich seine Züge und er lächelt.
"Abgemacht!"
Dabei kramt er die sieben Heller aus dem Beutel im innern seiner Kleidung und legt sie vor dem Hünen auf den Tisch, auf drei legt er jedoch seine Hand, wohl als Zeichen, dass er zuerst die Information will, bevor er diese freigibt.

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Und der Schlafende, der in seinen Albträumen wohl Gefangene würde die Gestalt nicht daran hindern. Auch würde der das quietschende Schreien ihn nicht wecken, sodass sie wohl unbeschadet entkommen könnte...

Nutmeg

Blitschnell schloss sich die Hand des Hünen über die vier Heller, die ihm dargeboten werden. Spielerisch beißt er auf einen der Heller drauf, nickt dann und holt einen recht leeren Beutel hervor, in dem er die Münzen verstaut. Dann trinkt er einen Schluckt, wischt sich mit einem Finger über die Nase und beugt sich zu Iotar. Dann flüstert er leise: Der, den du suchst...du findest ihn meistens in der Nähe des Würfelbechers. Er lungert da rum und bettelt, und ich glaube, er spioniert für Du-weißt-schon-wen dabei.  Wieder ein Wischen über die Nase. Er hört auf den Namen Toos Schwarzbein. Hat Pockennarben im Gesicht. Mittelgroß, schwarze Haare. Stechend blauer Blick. Kannst ihn eigentlich nicht verfehlen.

Amilcare

Eine Weile betrachtete Iotar den Matrosen, fast so, als wollte er in seinem Gesicht verräterische Anzeichen einer Lüge entdecken. Dann hob er seine Hand von den restlichen Münzen, ehe er mit einem wortlosen Nicken verschwand. Grübelnd, ob dies eine reine Falschinformation war und er soeben das schlechteste Geschäft seines Lebens abgewickelt hatte, begab er sich dann dennoch gemessenen Schrittes zum Würfelbecher. Dort angekommen hielt er Ausschau nach Toos Schwarzbein, wobei er sich nicht einmal die Mühe machte, seine Suche zu verschleiern.

Nutmeg

Trotz dem fast nervös anmutenden Nasenreiben, schien der Hüne aufrichtig zu sein. Zumindest wich er Iotars Blick nicht aus und schaute ihm fest in die Augen ohne mit der Wimper zu zucken. Dann grabschte er sich schnell die restlichen Heller. Ich wär' an deiner Stelle aber vorsichtig, man erzählt sich die wildesten Gerüchte. Aber is' dein Bier, Kumpel. Dann nahm er seinen Bierkrug zur Hand und stand auf, die restlichen Männer am Tisch folgten ihm bei seiner "Flucht".

Als Iotar beim Würfelbecher ankam, war schon das allabendliche Treiben rund um das Glücksspielehaus zu sehen. Männer und leichtbekleidete Frauen gingen ein und aus, Gewinner wie Verlierer torkelten aus dem schäbigen Bau und waren nur zu erkennen daran, dass die Gewinner freudig gröhlten, die Verlierer mit gesenktem Kopf sich nach Hause schlichen. Iotar konnte wohl direkt vor dem Würfelbecher nicht finden, was er suchte.

Amilcare

Langsam schritt Iotar durch die Masse an Leuten, suchte mit seinen müden Augen jene pockennarbige Gestalt, von der er sich Hilfe erhoffte. Es schien für ihn einer dieser Abende, in denen sich eine seltsame Ruhe über alles legte, soetwas wie die Stille, bevor eine Bestie zu einem gewaltigen Brüllen ansetzt. Doch die Müdigkeit und der stetige innere Kampf um Kontrolle kosteten ihn mehr Kraft, als er gedacht hatte. Seine Hände zitterten, als er sich mit ihnen einen Weg zwischen zwei Dirnen bahnte, die ihn wohl trotz seiner Aufmachung für 'leichte Beute' hielten. Während er weiter suchte, vermischte sich das Summen und Brummen der Leute mit dem Rauschen seines eigenen Blutes, das heftig in seinem Körper pulsierte. Alles trat in den Hintergrund, während die Meeresbrise an seiner lumpigen Kleidung zerrte. Er sah, während er nach Schwarzbein Ausschau hielt, nur noch, wie sich etliche Münder mit ungepflegten, oft nur aus schwarzen Stumpen bestehenden Zähnen öffneten, lachten, tranken und küssten. Und wieder überwältigte ihn dieses Gefühl der Abscheu, jene Regung die ihm so fremd schien und doch ein Teil von ihm war, immer gewesen war. Instinktiv griff er unter seine Haare und betastete seine Ohrenspitzen, Toos Schwarzbein hatte er vergessen.
Dann zwang ihn ein vertrauter Schmerz in die Knie und er würgte die Reste seines letzten, kärglichen Mahls hervor. Er hörte das Lachen der Wenigen nicht, die in seiner Nähe standen und auf ihn deuteten, sah nur wie sich diese widerlich aufgedunsenen Mäuler vor Hohn öffneten, die dort in ihren hässlich groben Gesichtern prangten, fast so, als wären sie von jemandem, der überhaupt nichts von Kunst verstand, grob in eine unfertige Holzpuppe geschnitzt worden. Wieder versuchte sein Geist gegen diese Gefühle anzukämpfen. Wieder wusste er, dass er verloren hatte, als er ihn sah. Dort, zwischen all den heruntergekommenen Gestalten, die sich für Iotar zu einer groben, grauen Masse verbanden, strich er herum wie ein hungriges Raubtier. Er grinste, doch der Halbelf konnte ihm nichts erwidern, zu sehr wurde er von dem Gefühl der Übelkeit beherrscht, zu sehr war sein Geist wieder einmal von unsäglicher Angst gelähmt. Ein schwarzhaariger Mann mit feinen Zügen und spitzen Ohren, gekleidet in finstere Dunkelheit, in schimmerndes Gold, fließendes Purpur. Er wusste was nun kam und es kam, weil er es wusste. Der Mann grinste weiter, als er mit blitzendem Stahl einer der Gestalten die Kehle öffnete, während diese hohnlachend zu Boden glitt und im Matsch verblutete. Wieder und wieder tat er es und Iotar kämpfte gegen das Gefühl der Genugtuung an, gegen jene falsche Befriedigung, die dem Mann gehörte, nicht ihm.
Eine andere Art von Schmerz drückte ihn hinab in den Dreck der Gasse. Seine Innereien brannten fürchterlich und als er mit letzter Kraft auf seine Hände blickte und sah, wie sie bis auf die Knochen verbrannt waren, tanzten bereits schwarze Punkte vor seinen Augen. Erst im letzten Moment, ehe der Schleier der gnädigen Ohnmacht ihn zu überwältigen drohte, bemerkte er, wie sie alle brannten. Er sah, wie alles in Flammen stand, die Häuser, die Menschen, selbst die Luft, während die Erde aufbrach und ihr feurig heißes Blut emporstieg um alle zu verschlingen. Dann verschwand sein Geist, verfolgt von den Blicken einer anderen Gestalt, die ihn aus der spiegelnden Oberfläche einer nahen Pfütze betrachtete. Er verschwand, und diese Gestalt lachte, und lachte...

Als Iotar wieder zu Bewusstsein kam, bemerkte er sofort die Kälte an seinen Füßen. Gegen den Schwindel ankämpfend und seinen Blick vom eigenen Erbrochenen abwendend, befühlte er seinen Gürtel, dann seine Füße. Letztere waren nackt. Es konnten wohl nicht allzu viele Stunden vergangen sein, immerhin war der Platz hier vor dem Würfelbecher noch immer gut gefüllt. Aber die Zeit hatte wohl gereicht, dass sie ihm nicht nur den Geldbeutel, sondern auch noch seine Stiefel stahlen. Ausgerechnet seine Stiefel.
Langsam und wankend erhob er sich, sah sich mit einer Gefühlsmischung aus unterschwelliger Angst und Misstrauen, in die sich ein Funken Hoffnung mischte, um und erkannte, dass hier nichts gebrannt hatte und niemand, zumindest nicht in letzter Zeit, hier gestorben war. Er sehnte sich wieder einmal nach dem betäubenden Rausch des Alkohols und nach der trügerischen Ruhe einer flohverseuchten Matraze im Heller und doch stapfte er dann los. Ohne Geld, ohne Stiefel, betrat er die Spielhölle und suchte nach einem pockennarbigen Gesicht...

Nutmeg

Als Iotar den Würfelbecher betrat, fühlte er die rauen Holzdielen unter seinen Sohlen. Das Holz war von den vielen Stiefeln weichgetreten, eine Schicht Sand und Schlamm bedeckten den Boden an einigen Stellen und fühlten sich seltsam auf der Haut an.

Rauch zog durch den muffigen Würfelbecher, der Rauch vieler Pfeifen, in welchen minderwertiges billiges Pfeifenkraut brannte.
Das hohe Gelächter einiger Freudenmädchen, die im Würfelbecher auf Beutezug waren, war zu vernehmen. Manch eine Dame blickte zu Iotar auf, als er den Würfelbecher betrat, doch keine kam näher, was vermutlich an seinen fehlenden Schuhen und dem damit verbundenen Gedanken liegen mochte, dass er sich eh ihre Dienste nicht leisten konnte.

An den vielen Spieltischen saßen hauptsächlich Männer, die Glücksspielwelt im nächtlichen Hafen war anscheinend eine Männerdomäne. Einige spielten Karten, andere würfelten. Auf den meisten Tischen waren jeweils für den Hafen verhältnismäßig hohe Geldeinsätze in der Mitte des Tisches zu sehen. An manchen Tischen saßen mehr oder minder hübsche leichte Mädchen den Gewinnern der Spielrunden auf dem Schoß.
Eine Gruppe junger Männer, die am Tisch der der Tür am nächsten stand saßen, spielten ein für Iotar vermutlich bekanntes Kartenspiel: Boltan. Sie waren hochkonzentriert, einem dicklicheren Mann mit beginnender Halbglatze stand sogar der Schweiß auf der Stirn.

Als Iotar sich umsah, konnte er einen Mann erblicken, der ungefähr auf die Beschreibung des Hünens im Heller zutreffen mochte.
Ein Mann mit einem pockennarbigen Gesicht, welcher sich mit stechenden blauen Augen im Würfelbecher ab und an lässig umsah und ansonsten mit einem kräftigen, rauen Blondschopf an der Theke lehnte und sich im Flüsterton unterhielt.

Amilcare

Und dort stand er für einige Momente wie angewurzelt auf seinen nackten Füßen, mitten in dieser vom Qualm des billigen Tabaks erfüllten, lärmenden Spielhölle. Wieder regte sich sein Magen, der sich schmerzhaft zusammenzog, als all diese Eindrücke auf ihn niederprasselten, und er blickte sich unsicher um. Als die Dirnen zu ihm blickten, keimte in ihm eine vage Angst auf und wühlte zusätzlich unangenehm in seiner Magengrube. Schnell blickte er weg, während seine linke Hand die zitternde rechte bändigte. Die Unsicherheit wuchs und die eigene, aufkeimende Angst schien ihn wieder gen Tür treiben zu wollen, ehe sein Blick auf die Gruppe fiel, die dort Boltan spielte. Er starrte einige Zeit auf die Karten, ehe seine Angst langsam verschwand und seine Augen die Spieler betrachteten. Irgendwie schien er in den konzentrierten Gesichtern etwas Bekanntes wiederzufinden, eine verschüttete Erinnerung, die wie ein entferntes, undeutliches Echo in seinem Geist widerhallte.
Dann sah er sie.
Dort stand sie, die schöne Elwene mit ihrem blonden, langen Haar, das stets nach Heidekraut duftete. Sie lachte, während sie zu den Spielern blickte, besonders zum dicken Gerbald, dem wieder einmal der Schweiß auf der Stirn stand. Schnell wandte er den Blick von ihr ab, zu oft schon hatte er sie heimlich beobachtet und es schickte sich nicht. Er sah zu dem zweiten Lachenden, der dort am Tisch saß. Olandriel war wohl der Hübscheste der Gruppe und nahm all den Schrecken, der über dem heimeligen Keller vor der Tür lauerte, stets mit einem gewissen Gleichmut auf. Es kümmerte den Halbelf nicht, dass dort oben wieder Mütter um ihre Kinder bangten, während in der nebligen Nacht die Menschenfänger umher strichen, und schlimmeres. Dobar wiederrum versuchte wie immer den neugierigen Erlwin zu verscheuchen, der in Iotars Alter war und den alten, einarmigen Krieger stets zur Weißglut brachte, wenn er wieder einmal fragte, warum Dobar sich mit solch einem schlechten Blatt Chancen auf den Sieg ausmalte. Mit der knabenhaften Mirya hatte Iotar bereits viele Abenteuer erlebt, auch wenn die hagere Traviane, die den beiden wie eine Ersatzmutter war, sie stets mit einem Donnerwetter begrüßte, wenn sie wieder einen viel zu gefährlichen Auftrag für Radulf ausgeführt hatten. Radulf, der dort am anderen Ende des Raumes stand und sich mit dem kräftigen, blonden wie tumben Wulfhelm unterhielt, war wohl der Kopf der Gruppe. Wulfhelm, Iotar konnte ihn noch nie leiden. So tumb der Mann war, so sehr legte er doch eine gefährliche Vorliebe für Grausamkeit an den Tag. Am Ende würde sich Iotars schlechtes Gefühl bei diesem Mann doch bewahrheiten. War er es nicht gewesen, der sie alle verraten hatte? Würden sie nicht alle sterben?
Mit einem mal wollte er sie alle warnen und blickte hektisch zu Traviane, der so götterfürchtigen und gutmütigen Frau, die ihm zulächelte. Und er erinnerte sich, es war jener Abend gewesen, jene Zeit. Am Ende hatten sich Dobar und der dicke Gerbald vor die Tür geworfen, mit Klingen in der Hand, und hatten versucht die Irrhalkengarde aufzuhalten. Doch es waren zuviele und sie wurden niedergemacht. Schlussendlich überlebten nur Iotar, Traviane und Olandriel, dem sie die Spitzen seiner Ohren abschnitten. Elwenes Schreie verfolgten ihn noch lange, als die Soldaten sie fast zu jeder Stunde in der benachbarten Kerkerzelle 'besuchten'... und nicht nur sie. Erlwin schnürte den Stirck aus seiner eigenen Kleidung, Mirya wurde erstickt, da sie den Gardisten zuviel schrie. Der alte Radulf wurde entmannt und am Ende 'wiederbelebt', damit er dem Kaiser noch in irgendeiner Form dienen konnte. Wulfhelm jedoch... er starb in jener Nacht, die Irrhalkengarde hatte keine Verwendung mehr für ihn gehabt. Die einzige Genugtuung, als sich eine Klinge in sein überraschtes Gesicht bohrte. Traviane brachen sie und sie starb, als Iotar floh, ein letztes mal, dass sie ihm half. Auch Olandriel starb dann doch auf eben jener Flucht, als er versuchte die Garde von ihrer Fährte abzubringen und sie ihn mit einem an einem Pferd befestigten Seil zu Tode schleiften. Auch seine Schreie verfolgten ihn noch bis tief in den dunklen Wald hinein...

Es war zu spät. Iotar sah nur noch die Fremden, die dort saßen und Boltan spielten. Das Gefühl von Heimat verschwand schlagartig und aufkommende Sehnsucht zerbrach unter ihrem Begleiter, den Kopfschmerzen. Er lastete es letzteren an, dass er sich unauffällig die Augen trocknen musste, ehe er sich wieder dem Hier und Jetzt zuwandte. Er blickte zu dem pockennarbigen Mann an der Theke, der vielleicht jener Schwarzbein war, den er suchte. Warum suchte er ihn? Und wie sollte er nun weiter vorgehen? Sein abgebrühteres Ich hätte sich nun sicherlich etwas Geld 'besorgt', die Kerle die Boltan spielten mit Phexens Segen über den Tisch gezogen und dadurch Aufmerksamkeit erregt. Aber Phex hatte ihn verlassen und zurück blieb nur ein unsicheres Kind.
Er sah sich zunächst nach einem Spiegel um, irgendetwas, das vielleicht spiegeln konnte. Als er auf die Schnelle nichts fand, zwang sich Iotar dann doch gen Theke, denn ein barfüßiger Landstreicher, der mitten im Raum festgefroren war, würde wohl doch zuviel Aufmerksamkeit erregen. Auf dem Weg zur Theke jedoch würde die Kraft, die ihm für seine stetige Maskerade so fehlte, langsam zurückkehren, die Kraft, die die Flinkheit in seine Finger trieb und den Blick seiner nun umherhuschenden Augen schärfte. Hier und dort gab es sicherlich unaufmerksame Kerle, ganz gefangen in ihrem Zeitvertreib, sei es nun eine Dirne auf dem Schoß oder ein gutes Blatt in der Hand, und Iotar würde sein Glück sicher versuchen, so er einen von ihnen mit offensichtlichem Geldbeutel fand. Die Boltanspieler würde er jedoch mit dem bisschen Willen, der ihm geblieben war, vehement ignorieren. Nein, ein anderes Ziel musste herhalten und eben jenes suchte er nun...

Nutmeg

Als Iotar so durch den Raum strich, fiel ihm ein Tisch auf, an dem drei angetrunkene, ältere Herren - einer davon mit der unvermeintlichen Dirne auf dem Schoß - um Geld würfelten. Der Tisch schien fast wie ein lohnendes Ziel...einer der betrunkenen Männer (einer der beiden dirnen-losen) hatte einen kleinen Beutel an seinen Gürtel gebunden und schien nicht mehr nüchtern genug, um sich an diesen zu erinnern.

Amilcare

Wieder begannen seine Hände zu zittern und er hielt sie nur mühsam unter Kontrolle. Würde das wirklich etwas bringen? Was wenn er scheiterte? Was aber wenn nicht? Er würde dem Pockennarbigen einen ausgeben und auf seine Gunst hoffen? Ein Glücksspiel zu wagen, in seiner Aufmachung, wäre zu riskant, zumal irgendwann der alte Kerl an dem Tisch bemerken würde, dass er um sein Gold erleichtert worden war, berauscht oder nicht. Aber was hatte er für eine Wahl? Er musste etwas tun. Die Magier würden ihm nicht helfen, vielleicht würden sie ihn einsperren, oder sie würden ihn quälen, wie sie es in Tobrien getan hatten. Nein, er brauchte Hilfe von jenen, die selbst im Schatten des Gesetzes existieren mussten, im Dunkel des Untergrundes. Sie konnten ihm helfen, diese ängstigende und widerliche Macht aus seinem Innern zu tilgen. Er wollte keine Magie, denn sie war böse...

Vier Tische entfernt.

Seine nackten Füße trugen ihn langsam, aber stetig zu den Dreien, während seine Augen ihre Gesichter erfassten, diese schweißigen, widerlich formlosen Gesichter mit schweinsartigen Borsten mittendrin. Dann blickte er zu der Dirne, da er wusste, dass diese Frauen oft weit mehr als nur einfache Liebesdienerinnen waren, sondern ebenso flinke Finger wie er besaßen, und aufmerksame Augen. Aber von dieser schien für den Halbelf keine Gefahr auszugehen und mit einem mal wusste Iotar nicht einmal mehr, warum sich irgendwer soetwas hässlich unförmiges in sein Bett holen sollte. Zu gedrungen und bar jeder Eleganz, ohne die Feinheiten im Gesicht, die jedem auch die innere Schönheit zuteil werden ließen.

Drei Tische entfernt.

Der widerliche Gestank von Alkohol stieg ihm wieder deutlich in die Nase, dieser Geruch von Fäulnis. Und das waren sie alle, sich in Fäulnis sudelnde Tiere. Sie stanken, ihr Essen stank, ihr Trinken stank und ihre Behausungen waren stinkende Abfallgruben. Aber war er das nicht auch? Zur Hälfte ein stinkendes Tier, das sich jedes mal beinahe übergab, wenn es die abscheulichen Tränke des Rausches der Menschen zu sich nahm? Er war ebenso dreckig und fühlte sich nun auch noch besudelt. Könnte er sich doch nur davon rein waschen, all das, was an seinem Selbst wie eine zehrende, hässliche Ranke hing, abstreifen, wieder die Schönheit sehen und die stinkenden Steinbauten dieser Stadt hinter sich lassen...

Zwei Tische entfernt.

Sein Blick fiel auf einen kleinen Handspiegel auf dem Tisch der Drei. Ein billiges Ding, nicht viel mehr als blank poliertes Metall und doch teuer genug für eine Dirne. Doch er dachte nicht daran, warum diese Dirne soetwas bei sich trug, ob sie nur mit ihren üblichen Diensten so erfolgreich sein konnte, dass sie sich einen kleinen Spiegel für gewisse eigene Eitelkeiten leisten konnte. Nein, sein Blick galt nur dem Innern des Spiegels, dem, was er dort sah. Viel zu weit weg und doch konnte er ihn klar sehen, dieses bezaubernde Antlitz, sein eigenes Antlitz ohne den menschlichen Makel. Er sah die Gestalt seiner Seele, die dunklen Schwingen, ohne eben jene Fäulnisranke, die sie in ihrer Entfaltung aufhielt. Unmöglich, doch es war da. Die Musik ertönte, klare, symphonische Töne, eine wunderbar klare Melodie, die wieder einmal zum Tanzen, zum Singen aufforderte. Wie hatte er sie nur vergessen können? Aber sie war zu leise und sein eigenes, besseres Ich so weit entfernt. Er beschleunigte seine Schritte...

Einen Tisch entfernt.

Beiläufig ergriff er ein altes Messer, das auf jenem Tisch lag, an dem er gerade vorbei schritt. Sofort wusste er nicht mehr, woher das Messer in seiner Hand kam, es war einfach da. Ein passendes Werkzeug. All das Geschreie, das Gestöhne und Gegrunze dieser namenlosen Gesichter übertönte noch die Musik, machte sie zu leise zum tanzen oder singen. Er musste sie leiser machen. Sein Ich nickte im Glanze des Spiegels, lächelte und fing an sich zu der Musik zu drehen.
Nun stand er hinter einem der älteren Herren und lächelte, doch die Dirne begriff nicht, dass er nicht sie anlächelte. Er schloss die Augen und neigte den Kopf sacht hin und her, ganz im Einklang mit der Musik. Sein Innerstes füllte sich mit Licht, verstieß den Makel, seine Hand glitt durch die Luft und schnitt dem Mann die Kehle durch.
Die Musik wurde lauter. Es war wie in den Südlanden, er wusste, dass er sich mit der Melodie verbinden konnte, musste. Und er fing an zu tanzen, drehte sich. Stahl blitzte immer wieder auf, jene, die aufsprangen, aus Angst oder Zorn, sahen den auf nackten Füßen tanzenden, schmutzigen Halbelfen der sich anmutig durch den Raum drehte. Iotar sah den brennenden Mann, der sich zu ihm gesellte und seinen Tanz im feurigen Wahn des Zorns bereicherte.
Jene, die nicht durch den Stahl und die Überraschung starben, entzündeten sich im Rausch der Musik, brannten wie tanzende Seelenfackeln im verzückten Reigen einer göttlichen Melodie.
Dann erschien der dunkle Mann und auch er tanzte und lachte. Und all jene, die ihn hören konnten, die auch die Musik hören konnten, schlossen sich dem Wahnsinn an, begannen zu tanzen, zu töten. Der Halbelf ließ seine Kraft fließen, all die angestaute Angst, den Zorn, die Liebe.
Iotar bemerkte nicht den kleinen Jungen, der in einer dunklen Ecke des Würfelbechers saß, verängstigt einen Stoffbären umklammernd. Nein, er tanzte nur, brannte in seiner eigenen Schönheit.

Jene, die den Halbelfen bei klarem Verstand sahen, konnten nur einen lodernden Schemen ausmachen, der in einem grausamen Tanz all jene tötete, die er berührte. Andere, die fliehen, oder aber ihn stoppen wollten, gingen in Feuer auf und verbrannten qualvoll und schreiend. Auch das Inventar fing Feuer, der Halbelf hielt jedoch nicht inne. Andere schlossen sich dem Tanz an, den Glanz des Wahnsinns in ihren Augen, fielen sie übereinander her wie gefräßige Raubtiere. Der Halbelf tanzte und seine zwei Stimmen erklangen in einem klaren, schönen Singsang, der das Chaos übertönte. Zwei Stimmen, so unbegreiflich für die wenigen Menschen, die hier entkommen würden.

Mitten in all dem Chaos und der Zerstörung lag unbeeindruckt der Handspiegel der Dirne auf dem Tisch. Seine Oberfläche war gerissen, doch in seinem Innern blickte noch immer die anmutige Gestalt mit den rabenschwarzen Haaren hinaus auf den Reigen des Todes. Sie blickte auf den Halbelfen, der sie alle mit seinem Wahn ansteckte, sie verbrennen ließ oder ganz banal mit der Klinge tötete. Auf die wenigen, die panisch an der verschlossenen Tür rüttelten, um zu entkommen.
Und Iribaar lachte...

Nutmeg

Der Würfelbecher verwandelte sich schnell in eine Hölle auf Erden. Iotar in seinem Rausch tanzte, verbrannte und sang seinen unheimlichen zweistimmigen Gesang, während um ihn herum die Menschen schrien, versuchten sich freizukämpfen oder sich gegenseitig zertrampelten in ihrer Panik. Wer nicht vom Feuer verbrannt wurde, wurde von Iotars Klinge getroffen. Einige mit halbwegs klarem Kopf versuchten noch, sich auf den Mann mit der Klinge zu stürzen, aber auch sie vergingen im Feuer. Es stank nach verbranntem Fleisch und nach dem kupferigen Geruch von Blut...heißgekochtem Blut.

Endlich, nach einer Ewigkeit, ging die Tür zum Würfelbecher auf, und ein kleines Dutzend Leute schaffte es, teilweise brennend, nach draußen zu entkommen.
Auf den Straßen des Hafens hörte man schon die verzweifelten Rufe nach den Wasserschüttern, und einige Anwohner hatten schon eine Eimerkette gebildet. Von Kwasirs Anwesen her rannten einige seiner Dienstboten herbei und versuchten ebenso zu helfen - keiner wollte, dass das Feuer sich noch mehr ausbreiten sollte.

Iotar im brennenden Haus, der von seinen eigenen Flammen unberührt blieb, war für die panischen Helfer erst einmal Nebensache...keiner, der versuchte, das Haus zu löschen, konnte ihn im Haus noch seinem düsteren Werk nachgehen sehen, keiner ahnte, dass dieses Feuer ganz und gar nicht auf natürliche Art und Weise entstanden war und das Feuer nicht das einzige gewesen war, das seine Opfer gefordert hatte. Das Feuer fraß langsam die Stützen auf, die für den Stand des Gebäudes zuständig waren...vielleicht bemerkte Iotar in seinem Rausch die Gefahr.

Amilcare

Doch der Rausch war zuende, der Halbelf kniete in seinem Kunstwerk der Zerstörung, während neben ihm das Gebäude langsam insich zusammenbrach. Seine Augen, nur noch entfernt an den einstigen Glanz erinnernd, der ihnen vormals inne wohnte, blickten gebrochen zu dem kleinen Jungen der nun vor ihm stand, vom Inferno beleuchtet. Es war keine Angst mehr in seinen Zügen, nur Mitleid. Und dann ging er, den Stoffbär hinter sich her ziehend, still und schweigend zwischen all dem wie ein entferntes Echo wirkenden Knarzen und Knacken der hungrigen, alles verzehrenden Flammen.

Eine Leere ergriff sein Innerstes, als der Junge im Dunkel verschwand. Iotar wusste nicht, was die Leere zuvor ausgefüllt hatte, er wusste nur, dass er verloren war, selbst wenn er all das hier lebendig überstehen würde. Innerlich fiel er bereits in eine bodenlose Dunkelheit, in der es nur Kälte und Einsamkeit gab.

Dann jedoch kroch etwas in diese Leere, etwas widerliches, etwas, das den Halbelfen veranlasste wie ein kleines, verlorenes Kind aufzuschreien und zu weinen. Das Etwas war wie Kälte, tastete nach dem was in ihm noch warm schien und tötete es stillschweigend, füllte die Leere mit furchtbar wirbelnder Endlosigkeit. Die Menschlichkeit in ihm starb in diesem Moment und mit ihr alle Erinnerungen, der schwache Gedanke an seine Mutter, oder der entfernte Blick auf seine einstigen Freunde. Der Pakt, niemals ausgesprochen, niemals verlangt, war besiegelt und es gab einen Seelenfunken mehr, der vom Chaos verschlungen und als Abscheulichkeit wieder ausgespien werden würde. Ein Seelenfunken mehr, der verloren war, von den kalten Klauen der Niederhöllen umklammert.

Sein Geist zog sich zurück, der Halbelf fiel in Ohnmacht, während über ihm wohl der gesamte Würfelbrecher zusammenstürzte...