[Finnwaen Rothair] Finns Tagebuch

Started by Amilcare, 21. November 2012, 20:43:53

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Amilcare

In seiner Unterkunft im Seepferdchen hält Finn die Ereignisse der letzten Tage in seinem Tagebuch fest, nicht ahnend, dass er am Abend erneut einem erschütternd schrecklichem Ereignis ausgesetzt sein würde, als er sich auf der Suche nach einer Person in die Teestube begab:


Ich habe lange keine Zeilen in dieses Buch geschrieben, obgleich sich einiges zugetragen hat, von dem ich nun berichten möchte, nein, viel mehr muss.
Nachdem ich nun in dieser fremden Welt gestrandet bin, scheint sich mein Blick langsam zu klären. Ich sitze hier und schreibe diese Worte in kärglichem Zustand. Mein Leib wurde in den letzten Tagen mehr gefordert und geschunden, als dies in den letzten Jahren auf meinen Reisen zwischen den streitenden Königreichen der Fall gewesen war. Doch das scheint mir die geringste Sorge. Die letzten Stunden verbrachte ich in dieser tristen Unterkunft im Gebet. Meine Worte richteten sich jedoch nicht wie gewöhnlich an Aves, um für eine sichere Passage über Land zu bitten, oder an Mütterchen TRAvia, um mich für die Gastfreundschaft der örtlichen Bevölkerung zu bedanken. Ich betete zu HESinde, sie möge mich davor schützen, dass mein Geist an all dem hier zerbricht, noch viel mehr jedoch zu PRAios, den ich anflehte die Reinheit meiner Seele zu bewahren.
Aber vielleicht sollte ich von vorn beginnen:

Ich hatte mich in den letzten Tagen in dieser Stadt umgesehen, so wie ich es stets zu tun gedenke, so ich einen mir unbekannten Ort besuche. Viel Merkwürdiges gibt es hier, viel Fremdes, viel mehr noch als in Nostria, oder Andergast.
Auch konnte ich mich davon überzeugen, dass es mitnichten Feen und Kobolde sind, die hier zwischen den Menschen zu leben scheinen. Es sind tatsächlich Elfen! Bei den winzigen Wesen habe ich noch keine Sicherheit, aber bisher versuchte keiner von ihnen mich mit irgendeinem Fluch zu belegen, noch mich anderweitig zu verzaubern. Aber auch hier kann ich nicht sicher sein, denn der Schrecken begann kurz nachdem ich von den Ereignissen in der Scheune des kleinen Vorortes jener Winzlingsmenschen schrieb. Tatsächlich kann ich sogar noch über merkwürdigere, viel mehr sogar erschreckendere Erkenntnisse und Erlebnisse berichten, als die Begegnung mit grünhäutigen Elfen und lilahaarigen Leuten. Und auch das was mir widerfahren ist mag kaum mit dem Zwang zu tanzen vergleichbar sein.
Ich fand mich vor einigen Tagen in der Taverne Zum vollen Humpen ein, um dort mehr über die örtlichen Gebräuche und Sitten zu erfahren. Wie der Zufall es so wollte, gesellte ich mich zu einer kleinen Gruppe Menschen (und anderes!), die über allerlei Nichtigkeiten debattierten, so wie es für gewöhnlich die Art des einfachen Volkes ist. Am Ende wurde ich auch in jene Gespräche verstrickt, obgleich ich ein etwas distanzierteres Zuhören bevorzugt hätte. Es hätte ein einfacher Tag ohne Sorgen und Klage werden können, ein Tag, an dem ich wieder einmal Nandus opfere und Wissen über diesen fremden Ort sammele. Jedoch tauchte dann dieses Weib auf. Sie verströmte schon bei unserer ersten Begegnung eine bedrohliche Aura der Dekadenz und Lasterhaftigkeit und ich war mir sicher, nicht zuletzt aufgrund ihrer spitzen Ohren (!), dass sie ein Abkömmling irgendeiner Brut sei, die von den Zwölfen nicht ohne Grund in irgendeine dunkle Ecke der Welt getrieben worden war. Konnte ich auf dem "Fest" in der Scheune noch nicht mit Sicherheit sagen, dass sie über Zauberkräfte verfügt, so habe ich nun die Gewissheit, immerhin besaß sie zuvor rote Haare (!), nun tauchte sie jedoch mit schwarzen Haaren auf, weshalb ich sie auch zunächst nicht erkannte.
Noch immer könnte ich mich für meine Torheit selbst geißeln, wenn ich im Nachhinein das Folgende im Geiste durchgehe. Ich ließ mich tatsächlich dazu überreden jene Frau in den Wald zu begleiten, weil sie dort irgendwelche seltsamen Rituale zur Entspannung durchführen wollte. Warum ich dies tat? Ich irrte bereits mit den Elfen, also dachte ich mir, dies könne auch bei dieser Person der Fall sein, zudem schien mir die Gelegenheit günstig die Umgebung der Stadt ein wenig zu erkunden.

Wir brachen also von der Taverne in den Wald auf und hinterließen nur jene immernoch hochschwangere Frau, die behauptet aus dem Kosch zu stammen und die ich bereits an meinem ersten Tag in diesen götterlosen Landen traf. Ein weiterer Grund, warum ich dem vermaledeiten Weib mit den spitzen Ohren in den Wald folgte, denn sie schien eine Freundin jener Frau aus dem Kosch zu sein, was wiederrum bei mir die Hoffnung weckte, dass mein erster Eindruck falsch sein könne. HESinde möge mir meine Einfältigkeit vergeben. Ich hätte auf ihre Erleuchtung hören sollen, als mir der Gedanke kam, dass niemand einen dunklen Wald zur Entspannung aufsucht und dunkle Orte nur anziehend auf dunkle Gemüter wirken.
Mitten in der Wildnis, die ein Albernier, der so nah am Rand des großen Farindelwaldes lebte, niemals als einen ordentlichen Wald betiteln würde, erschien plötzlich die hochschwangere Frau, die auf den Namen Langiva Silberärmel hört, aus dem Nichts hinter uns. Ich muss zu meiner Schande eingestehen, dass ich zuvor von der anderen Frau mit den spitzen Ohren, Alena Firleweinen Fhirnriveien, abgelenkt worden war, da diese in der Wildnis die Ungehörigkeit hatte mir einen Lohn für meine Begleitung anzubieten. Mir! Ich wollte sie vorsichtig auf die Tatsache hinweisen, dass ich keinesfalls den Blutigen anrufe, noch meine Absicht sie zu begleiten darin begründet lag, ihr irgendwelche Münzen abzupressen. Immerhin weiß ein Rothair um die Möglichkeiten der Hexenweiber und verzauberte Münzen gehörten schon immer dazu.
Ich bemerkte also jene hochschwangere Frau Silberärmel nicht und hätte ich meine Sinne auf die Umgebung konzentriert, wäre mir sicherlich etwas Merkwürdiges bei ihrem Erscheinen aufgefallen. Eine perainegesegnete Frau hätte uns niemals so schnell in der Wildnis finden, geschweigedenn einholen können. Tatsächlich stellte sich diese Frau als irgendeine Art abscheuliche Abnormität heraus, schlimmer noch als Alena Fhirnriveien, da sie plötzlich zuvor genannte an den Haaren packte und ihr Äußeres dämonische Formen annahm. Obgleich ich auch Rondra verehre, gestehe ich ein, dass ich den rondriansichen Tugenden in der Vergangenheit nicht allzu viel Beachtung geschenkt habe, dennoch konnte ich bei dieser Auseinandersetzung nicht einfach tatenlos zusehen.
Es entzieht sich meinem Verständnis, wie diese Kreatur einen wackeren Streiter der Zwölfe mit solcher Leichtigkeit kampfunfähig machen konnte, doch vermute ich finsterste Zauberei. Als BORon mich aus seiner Umarmung entließ, fand ich mich gefesselt neben Frau Fhirnriveien in der Wildnis wieder, während irgendeine Frau mit einem äußerst scheußlich anzuschauendem Waldschrat zu verhandeln schien. Hinzu kam ein schwergerüsteter Recke, dessen Unfähigkeit sich in solch schlammiger Wildnis den Umständen entsprechend zu rüsten mir nicht allzu viele Hoffnungen auf meine baldige Befreiung machte. Dennoch wurde ich auch hier überrascht, denn der Schwergerüstete wurde plötzlich von heiligem Zorn erfüllt, als der Waldschrat Frau Fhirnriveien scheinbar als rahjanische Sklavin von der Fremden kaufen, mich jedoch ihr als Opfergabe überlassen wollte. Wohl eine falsche Annahme, wie mir im Nachhinein klar wurde.
Als eben jener aufrichtige Streiter plötzlich all dieser Ungerechtigkeit ein Ende machen wollte und die Verhandlungen mit der spitzen Seite seines Rabenschnabels fortführte, hatte ich erneut eine rondrianische Eingebung, zumindest dachte ich das. Ich rollte mich schützend auf Frau Fhirnriveien, die natürlich gleich die Situation ausnutzte und mich unsittlich berührte! Ich hatte mich also nicht getäuscht. Während der Recke weiter mit der Frau kämpfte, versuchte der Waldschrat in meinen Augen Frau Fhirnriveien in seine dunkle Behausung zu zerren. Ich erfuhr erst später, dass er sie wohl zu retten gedachte.
Viel mehr bleibt mir nicht von diesem Vorfall zu berichten, denn danach ereilte mich BORons Gnade, während der ich einen sehr seltsamen Traum hatte. Ich sah in der Ferne die Gefilde Alverans, die mächtige Festung der Zwölfe und ihrer Kinder, während ich mit den Schwingen eines Adlers durch die Wolken flog und PRAios Antlitz mir seine wärmenden Strahlen entgegen streckte.

Ich weiß nicht genau, was passierte, als ich erneut zu mir kam. Tatsächliche Klarheit erlangte ich erst, als ich in der Behausung von Frau Fhirnriveien aufwachte. In meinem ganzen Leben an all den Adelshöfen habe ich noch nie eine derart dekadente und kitschige Einrichtung zu Gesicht bekommen.

Mir wurde jedoch keinerlei Erholung gegönnt, denn eine Untersuchung auf Rückstände der abscheulichen Magie der Dämonenfrau aus dem Wald wurde kurz darauf angesetzt.
Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich jene Menschen, die mit der Zauberei geboren werden, nicht ohne weiteres als Frevler einschätze, immerhin war meine letzte Herrin, die Königin von Nostria, selbst eine ausgebildete Magierin. Dennoch war mir nicht wohl zumute, als sich herausstellte, dass diese Untersuchung nicht in einem Tempel, sondern in der Magierakademie der Stadt stattfinden würde. Wieder einmal sollte sich meine vorläufige Einschätzung bewahrheiten, denn statt mich zu untersuchen, ergriff einer der Magier ohne Grund und Provokation eine geladene Armbrust und setzte mir einen Bolzen in den Fuß. Dann schien mir erneut BORon seine Gnade zuteil werden, denn unter den Schmerzen meiner Verletzung merkte ich nicht, dass der gleiche Magier mich allem Anschein nach mit irgendeinem Zauber belegte.

Wiederrum wachte ich in der Wohnung von Frau Fhirnriveien auf, woraufhin mir der Verdacht kam, dass diese Frau mitnichten ein Opfer ist. Ich vermute hinter all diesen Ereignissen eher irgendwelche namenlose Umtriebe, immerhin ist die einzige Gemeinsamkeit bei allen die Anwesenheit dieser unsittlichen Frau und die Tatsache, dass ständig jemand versucht mir Schaden zuzufügen. Da ich jedoch Praios Gunst erbeten habe, werde ich mich auch an seine Gebote halten und die tatsächliche, unumstößliche Wahrheit hinter all diesen Vorkommnissen aufdecken. Es mag eine Weile dauern, bis ich erneut dazu imstande sein werde weiteres zu berichten, denn die Dämonenfrau aus dem Wald scheint mir all mein Gold gestohlen zu haben, womöglich ist sie also eine abscheuliche Dienerin Desjenigen, dem der gute Herr Phex stets Einhalt gebietet.

Dieser Tage in PRAios Gnaden,
Finnwaen Rothair


Notiz: Salz rationieren. Ich traue dem örtlichen Salz nicht und mein eigenes geht zur Neige. Womöglich muss ich demnächst allein auf PRAios Gunst vertrauen, wenn erneut ein Elf mich mit seinen Augen zu verzaubern versucht, und ihm nicht mehr Salz in eben jene werfen.

Amilcare

Erneut hat sich viel zugetragen und die Nachwehen dieser Ereignisse sind auch jetzt, während ich diese Worte zu Papier bringe, noch deutlich zu spüren. Ich weiß nun nicht nur, dass es tatsächlich ein Dämon war, der mir so stark im Wald zusetzte, auch konnte ich weiteres über die scheußliche Magie erfahren, mit der sie Frau Fhirnriveien und mich belegte. Aber all das scheint nun in unendliche Ferne gerückt, denn ich schreibe diese Zeilen in der Hoffnung, dass die bereits vage Erinnerung an den Traum nicht vollends verschwindet und ich sie noch in meinem Tagebuch festhalten kann.

Wieder bin ich geflogen und erneut sah ich in der Ferne die göttlichen Mauern, deren Anblick mir unbeschreiblich scheint, kaum in Worte zu fassen und selbst für einen Traum zu erfüllend. Es schien mir, als wäre ich losgelöst von all der derischen Last, von all den Sorgen und Nöten, und doch nicht von meinem Selbst entfremdet, wie es in Träumen nur zu oft geschieht. Mir müsste schon der Götter Macht selbst zuteil werden, um es zu verstehen, doch könnte ich es selbst dann keinem Sterblichen mehr verständlich machen. Es war kein Traum, vielleicht eher ein Zustand, ein "Sein" an dem Ort zwischen Wachen und Schlafen. Die Strahlen der Sonne waren so wirklich, so greifbar und warm, und selbst als ich erwachte und das Feuer des Kamins bereits seit Stunden verloschen war, vertrieb eine innere Wärme die herankriechende Herbstkälte. Hoffnung stärkte meine Seele, während ich mit meinen goldenen Schwingen auf Alveran selbst zuglitt, allumfassende Zufriedenheit, ein Sinn hinter allem, was ist, war und sein wird. Es entzieht sich meinem Verständnis, ob die göttliche Feste in diesem Traum zu weit entfernt war, oder ob mein Verstand im Nachhinein diesen vollkommenen Anblick nicht mehr verarbeiten konnte.

Es spielt keine Rolle, denn der Moment des absoluten inneren Friedens endete abrupt, als sich ein schwarzer Schatten meiner bemächtigte, meine Flügel zerriss und meinen Geist wieder gen Erde schmetterte. Dort war ich wach, dachte ich. Nicht mein Zimmer und die etwas löchrige Decke erwartete mich, sondern eine dunkle Nacht ohne Mond in einer Stadt, die einer furchtbaren Katastrophe zum Opfer gefallen sein musste. Die Häuser standen eng beieinander, waren jedoch nur noch Skelette, so als habe sie ein schwarzes Feuer von innen verzehrt. Meine Sinne waren ohne die güldenen Strahlen getrübt, abgeschnitten, doch konnte ich die kriechenden, hetzenden Schatten zwischen den Trümmern und in den Gassen spüren. Sie wollten jagen, doch wagten sie es nicht. Erst als der Schrei einer reinen Stimme ertönte, wurde mir offenbar, dass sie vor mir zwar scheuten, ihre Beute trotzdem gefunden hatten.
Innere Unruhe erfasste mich und auch wenn ich weiterhin keine Angst spürte, drängte sie mich vorwärts, weiter hinein in diese fremde, finstere Stadt, die auf mich wie ein Mahnmal wirkte, ein Zeugnis der katastrophalen Macht irgendeiner dunklen Wesenheit. Ich rannte von Gasse zu Gasse und anders als auf meinem Flug nach Alveran spürte ich, dass mein Ziel für mich nun erreichbar war.
Doch als ich sie fand, war alle Mühe vergebens. Die Schatten flohen und hinterließen ein zerissenes Kleid und einen blutigen Leib. So bleich und leblos wie sie dort lag, erschien sie mir wie ein kaltes Licht in all der Dunkelheit. Mein Herz weinte, denn die Erkenntnis des Versagens bohrte sich wie ein gefräßiger Stachel hinein. Die Wolken zerissen und in Erwartung eines neuen Morgens, der die Schatten vertreiben würde und das Leben brachte, blickte ich gen Himmel. Doch nur purpurner Glanz erhellte in seiner Falschheit die Ruinen. Ich spürte keine Furcht, die Wärme war noch in mir und begleitete mich mit in das Erwachen, ebenso wie das Gefühl versagt zu haben.
Im Nachhinein vermag ich mich nicht mehr an das Gesicht dieser Frau zu erinnern und ich weiß nicht, welche Bedeutung all dem inne wohnt.

Wenn es ein einfacher Traum war, weshalb spüre ich noch immer keine Angst, kein Frösteln? Ich weiß, hätten meine Beine im Diesseits jene dunkle Stadt durchschritten, so hätte sich die Angst meiner bemächtigt. Ich gehörte nie zu jenen, die furchtlos in das Antlitz eines Übels blicken können.
Wenn es kein Traum war, was war es dann? Verliere ich den Verstand? Wurde mein Seelenfunken aus dem Gleichgewicht gerissen, als ich in dieser fremden, chaotischen Welt strandete? Hat die Berührung des niederhöllischen Wesens aus dem Wald mich gar verdorben? Meinen Geist so zerbrochen, wie manchmal ein Spiegel zerbricht, zertrümmert, aber erst nach und nach die Splitter verlierend?
Was, wenn die Götter mir irgendetwas mitteilen? Und warum sollten sie soetwas tun? Ich habe den Glauben allzu oft auf die leichte Schulter genommen, mehr mit jenen Göttern geliebäugelt, die mir ein einfaches Leben auf meinen Reisen versprachen, oder von denen ich mir etwas erhoffte, ohne je mehr zurückzugeben, als einen Taler der im nächsten ihrer Tempel geopfert wird. Nie war ich so ein im Glauben verankerter Mann wie mein Vater, oder meine Brüder. Niemals konnte ich jene Härte erreichen, wie sie die Distelritter erlangten und selbst ihr Glaube, schien mir doch jener meiner Eltern abschreckend und einengend genug, so war doch die Liebe zu einer Fee, die mit Blut besiegelt wird, noch weit erschreckender. Rohal war für mich eine Offenbarung, ein Mann, ein Kaiser, der vor so vielen Jahren lebte und herrschte, der von soviel Weisheit erfüllt schien, dass er die ganze Welt hätte erleuchten können, wäre er nur länger geblieben. Aber auch er hätte dem ganzen mehr Bedeutung beigemessen, als ich es gerade in meiner Verwirrung zu tun gedenke.
Soviel unkontrollierte Magie, soviele Abscheulichkeiten und Praktiken. Feenpakte, die leichtfertig von den Bewohnern hier geschlossen werden, um ein größeres Übel einzudämmen. Ja, so fing es auch bei meinen einstigen Herren an, bis sich ihre Herzen gegenüber denen, die sie zu schützen gelobt hatten, verschlossen und dunkel wurden, und all ihre Liebe nur noch jener nichtderischen Wesenheit im Wald galt.

Nun wurde auch noch die Herrscherin dieses Landes ermordert, gewaltsam aus dem Leben gerissen, obgleich sie noch ein Kind war. Dieses Land scheint mir ein einziger Frevel an PRAios, doch ist es selbst mir vergönnt ein Leben nach seinen Geboten zu führen. Nein, es erscheint mir sogar unmöglich, nachwievor. Möge er mir all die Unwahrheiten, die meinen Mund in der Vergangenheit verließen um mein Leben zu retten, vergeben. Ohne geistigen Beistand vermag ich nicht zu sagen, wie all das hier auf mich wirken wird. Dennoch offenbart sich mir in der Lebensweise eines Mönchs, der abgeschieden in einem Kloster sein Dasein fristet, keinerlei Sinn, denn was nützen Wahrheiten, so sie nicht gegenüber anderen ausgesprochen werden? Und doch kann ich kein Leben voll Wahrheit führen, denn dazu bräuchte ich die Gaben aller Zwölfe, den Mut RONdras, die Inbrunst RAHjas, die Weisheit HESindes. Allein manche der Bewohner hier vermögen die Wahrheit gar nicht zu erfassen, wenn sie ihnen gegenüber ausgesprochen wird. Und so bin ich der festen Überzeugung, dass manch eine Unwahrheit zunächst mehr Wirkung erzielt. PRAios vergib mir, aber man stelle sich nur Frau Fhirnriveien vor, so ich ihr mitteile, dass sie keine nervtötende und selbstverliebte Höllenbrut ist. Oder Frau Sturmkind, dass sie ihre falschen Mutterinstinkte gegenüber dieser Frau zügeln sollte. Die Konsequenzen wären wohl in beiden Fällen schmerzhaft, im ersten allerdings nur seelischer Natur.
Der einzige, der mir in all diesem Chaos nicht zu wanken scheint, ist jener Priester, den ich bereits im Wald antraf. Leon de Tyrael, womöglich ein zu geckenhafter Name, verbinde ich diesen doch mehr mit einem Stutzer der Horaslande, als mit einem wackeren Streiter des Göttlichen. Und auch wenn er den Namen RONdras falsch ausspricht, so kann ich doch die Wahrhaftigkeit die seinem Glauben inne wohnt nicht leugnen.
Nun ist die Stadt vorerst abgeschottet, drei Tage ist es unter Strafe verboten die Tore zu verlassen. Zweifelsohne sind jene, die noch das Szepter der Macht in der Hand halten, besorgt, doch kenne ich jene Abläufe, die nun folgen werden. Die Gier nach Macht ist auch in meiner Heimat unter dem Adel verbreitet und ganz gleich, ob ein legitimer Nachfolger den Thron besteigen will, es wird dennoch in Kämpfen gipfeln, deren Opfer am Ende stets die Unschuldigen sind.
Als ich erwachte war mein Blick auf ein altes Bild, schon etwas verfärbt und mit abgegriffenem Rahmen, gerichtet. Es zeigt die Berge, welche diese Lande umgeben, jene Berge, in die ich mit den anderen aufbrach und in denen wir diesen boshaften Kobolden begegneten. Meine Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten, dass jene Steine, welche die anderen von den Kobolden erhielten, sie in die Fänge der Feenkönigin der Berge auslieferten und ihnen am Ende ein Pakt aufgezwungen wurde.
Das Ziel scheint mir klar. Ich weiß nicht, wer die Frau in diesem Traum war und ich habe keinen Punkt, wo ich ansetzen könnte. Doch zumindest kann ich den Göttern zeigen, dass nicht nur ein Feigling in mir steckt. Nun muss ich nur noch einen Weg über die Mauer finden.

In der Zwölfe Gnaden,
Finnwaen Rothair


Notiz: Ich brauche mehr Pfeile. Drei werden nicht reichen, erst recht, wenn sie über keine Eisen- oder Stahlspitzen verfügen. FIRun hilf, ich hoffe der alte Bogen zerbricht nicht beim ersten Schuss.

Amilcare

Ein seltsames Gefühl bemächtigt sich meiner, wenn ich all die Geschehnisse des heutigen Tages noch einmal im Geiste durchgehe. Ich sitze hier in der Kälte, gehüllt in einen alten, löchrigen Pelzmantel, der noch in meiner Unterkunft in einer Kommode zu finden war, und blicke über das stille Dorf, welches Firun mit seinen Gaben segnet. Der Schnee fällt langsam und ich friere nicht. Ob dies an dem heißen Bad liegt, oder an den anderen Dingen, die mir heute wiederfahren sind, weiß ich nicht zu beantworten.
Wir waren heute auf der Jagd nach der Dämonin, zumindest suchten wir ihr Versteck, weil Frau La'Faeras Freundin suchten, welche von der Wesenheit der Niederhöllen entführt, und wie wir später erfahren durften, auch gequält worden war. Durch jenes Unglück, dass mir der Herr Phex aufgrund irgendeiner vergangenen wie von mir vergessenen Sünde zuteil werden lässt fiel ich vom Höhleneingang, gerade als der Waldläufer mir die Hand zur Hilfe ausstreckte.
Nun, er mag wohl einen harten Kerl spielen, am Ende kann ich mir aber denken wer bei ihm zuhause die Hosen an hat. Das Gute hat ihn nicht vollends verlassen, auch wenn er die meisten Fremden und die Welt ansich für das, was ihm wohl in der Vergangenheit angetan wurde, verabscheut.
Ich fiel und lockte einen scheußlichen Dämon in Gestalt einer Spinne hervor. Nachdem dieses Wesen niedergestreckt wurde und natürlich samt aller heraustretenden, schleimigen Innereien auf mich fiel, glitt ich fast erneut in Borons Arme, da das Wesen mit all seiner Widerlichkeit meine Lungen füllte und ich am Schleim fast erstickte.
Seltsam, aber ich konnte die boshafte Anwesenheit der dämonischen Spinne bereits vorher spüren, aber scheinbar die anderen nicht? Ich dachte aber zunächst, dass es wieder einmal Frau Fhirnriveiens unsittliche Blicke auf mein Hinterteil gewesen wären, die mir einen Schauer über den Rücken jagten.
Schlussendlich vermochten wir dann in die Höhle einzudringen und fanden vielerlei seltsame, befremdliche, ja auch schreckliche Dinge vor. Neben einem zu Tode gefolterten Mann in Ketten auch Frau La'Faeras Freundin, die zum Glück noch von Tsas Hauch erfüllt war und von Frau La'Faera umgehend geheilt und in Sicherheit gebracht wurde. Ich trug den Toten mit mir, fest im Glauben, dass er zumindest ein anständiges Begräbnis verdient habe, und brachte es nicht über mein Herz Frau Fhirnriveien meine Vermutung mitzuteilen, dass der Mann wohl fürchterlich zu leiden hatte, womöglich auch einsam starb. Ich erwähne bewusst nicht Borons sanfte Arme, denn ich vermute, dass diese arme Seele von ihrem dämonischen Foltermeister in die Niederhöllen getrieben wurde. Ein schreckliches Schicksal, weshalb ich jenen Ort noch mit dem Zeichen des Götterfürsten versah, in der Hoffnung, dass Praios seinen strafenden Blick auf die Kreatur richte so sie das nächste mal ihre Behausung aufsucht.
Den Toten brachten Frau Fhirnriveien und ich nach Hammerhütte, ein belebtes Dorf am anderen Ende des Fürstentums, das ich noch nicht kannte. Er ist nun in fähigeren Händen, ein Priester kümmert sich um die sterbliche Hülle des Mannes.
Nach einem Bad und einem Gespräch mit Frau Fhirnriveien sitze ich nun hier, meiner Sachen beraubt, inklusive meiner einzigen Waffe, die nun unbrauchbar ist. Vielleicht soll ich nicht mehr mit Waffen kämpfen?
Kalt ist es, der Winter scheint nun auch in diesen Landen Einzug zu feiern, und doch sehe ich nicht Firuns Kälte, sondern viel mehr Ifirns Milde und Güte, blicke zu ihrem Stern hinauf und kann keinen Schmerz mehr entdecken, wenn ich nach innen sehe.
Ich bin heute fast erneut gestorben, nichts konnte mich je auf das vorbereiten, nicht einmal die düsteren und absonderlichen Rituale der Feenritter und ich bezweifle, wenn alles so gekommen wäre wie mein Vater es vorgesehen hatte, dass ich selbst als einer von ihnen für diese Erfahrung gewappnet gewesen wäre.
Licht war das, was ich sah, und eine liebliche Stimme das, was ich hörte. Ich kann mich nicht mehr an ihre Worte erinnern, denn wie das Licht nun ein schwacher Abglanz scheint, sind auch die Worte der schönen Stimme nur noch eine trübe Erinnerung. Eine weibliche Stimme. Eine Alveraniarsstimme? Ich muss sie wohl geliebt haben, diese Stimme, denn das ist es, was ich, gleichfalls als schwächliche Erinnerung, noch immer tue.
Dann brachte die Stimme mich zurück ins Leben.
Als ich zu mir kam, den Hals voll mit den schleimigen Innereien der Spinne, sah ich Frau Fhirnriveien, die mit heftiger Brutalität auf mich einschlug, wohl in der naiven Annahme gefangen, Gewalt würde in solch einer Situation irgendwie helfen. Ich denke sie hat sich dabei fast die Hand gebrochen. Sie ist keine Naturgewalt, außer sie verfällt in Obszönitäten und hat ein Bier zur Hand. Seltsam, aber doch recht nett erscheint mir diese Halbelfe nun, nachdem ich mich von meinen Vorurteilen weitestgehend befreien konnte.
Bedanken werde ich mich wohl trotzdem, immerhin denkt sie, dass sie mir das Leben gerettet hat (auch wenn sie am Ende nicht einmal die Kraft hatte, mir beim ausziehen meines Stiefels zu helfen). Sie sollte nicht wissen, dass es die Stimme war.
Vielleicht ist es das, was mir die Furcht vor dem Morgen nimmt, denn mein Geist ist frei von ihr. Ich weiß nun, dass mich irgendetwas, allem Unglück, allen schockierenden Monstern und boshafter Magie zum Trotz, dort draußen liebt.
Ich werde mich noch zum Gebet zurückziehen, doch für den Moment, nur für diesen einen winzigen Moment lehne ich mich zurück und erfreue mich an der Schönheit, mit der Ifirn die Hand ihres Vaters lenkt, mit der sie alle Boshaftigkeit für diesen kleinen Moment vergessen macht, einfach unter einer sanften Decke aus Schnee begräbt. Ich werde die Pfeife zuende rauchen, die mir ein vorbeiziehender Zwerg, wohl aus Mitleid, überließ und die Schönheit und Stille der Welt erblicken, wie ich es seit langer, langer Zeit nicht tat. Es kommt eine Zeit um zu trauern, sich zu fürchten oder zu sorgen. Aber diese Zeit ist nicht jetzt, nicht bei mir.

In Ifirns und der Zwölfe Gnaden,
Finnwaen Rothair

Notiz: Ein Auge muss ich wohl auf Frau Silberärmel haben, sie deutete vor unserem Aufbruch diverse beunruhigende Dinge an. Aber nicht jetzt, nicht heute. Denn ich denke, dass Praios sie mit seinem bereits betrachtet.

Amilcare

In dieser Nacht sitzt Finnwaen nicht in seiner Kammer im Seepferdchen und brütet im flackernden Schein einer Kerze über seinem Tagebuch. In dieser Nacht schreibt er, wie er es all die Jahre auf seinen Reisen tat, im Licht der Flammen eines Lagerfeuers und des Sternenhimmels, während die Kälte seinen Geist klärt und den Ärger über das Geschehene hinfort wäscht:


Es war alles umsonst. Mein Plan, der Besuch bei den Feen. Alles zunichte. Eine unfassbare Niederlage, in vielerlei Hinsicht. Nicht einmal die Stimme war von Bedeutung, wie es sich herausstellte. Die Feen, sie waren jämmerlich klein und schwach, verzückt von Farbenspielereien und keineswegs so, wie die Fenwasian sie beschrieben hatten. Vielleicht hätte ich mehr in ihre Dunkelheit abtauchen müssen, um die Wahrheit zu erkennen? Wer kann schon sagen, was dieses finstere Haus wahrlich Eingeweihten offenbart.

Mein Vater hatte recht damit sich von den alten Bräuchen abzuwenden, doch er ist für mich noch immer ein reaktionärer Narr. Er hat nicht gesehen, was ich hier sehe. Die Götter und das Leid, das selbst zwischen Albernia, Nostria und Andergast alltäglich war. Peraine hätte die Macht sie alle zu nähren, Travia ihnen ein ewig wärmendes Feuer im Winter zu spenden. Und warum sehe ich doch erfrorene Menschen in dreckigen, dunklen Gassen? Strafen sie mich, weil ich mich für sie entschied, und nicht für einen frevlerischen Glauben an dunkle Wesen im ewigen Wald? Und auch die schwarzen Lande wollten die Zwölfe nicht tilgen. Aber ich glaube heute, dass nicht die Wesen der Niederhöllen oder des Waldes der wahrhaftige Feind sind. Sie sind chaotisch, verlieren sich im Leid Einzelner, das sie verursachen. Wie Rohal schon sagte, sie können nicht anders, sie sind Chaos.
Aber die eine Frage, die er nicht beantworten wollte, jene eine Frage plagt mich immer mehr, je länger ich an diesem Ort verweile. In Andergast, als sie mich einholte, konnte ich fort, ich ging einfach nach Nostria. Und auch dort verschwand ich, als die Antwort auf jene Frage sich nicht in irgendwelchen monströsen Formen manifestierte, zu irgendeinem Schwarzpelz in einer staubigen Höhle wurde, vor dem man einfach die Augen verschließen konnte, nachdem er durch die eigene Klinge gespalten ward.

Hat das Böse deshalb keinen Namen, weil es in uns allen wohnt? Weil wir unfähig sind die Geschenke der Götter anzunehmen, die Gaben der Welt, die Liebe zu entfalten, die sie in uns verbargen? Was wenn ich so geblendet war von dem gleißenden Licht in meinen Träumen, dass ich mich gar nicht bemühte zu erkennen wer jenes wirft? Oder verliere ich einfach den Verstand, weil diese Welt sich mir völlig verschließt?
Mir geht jener Abend vor so vielen Jahren in den Grenzwäldern der streitenden Königreiche nicht mehr aus dem Sinn, jener Abend, als sich dieser Mann an mein Feuer setzte und ich ihm anbot mein Abendessen zu teilen, ganz in Travias Sinne. Wir aßen schweigend, er dankte mir und ging daraufhin. Aber er hinterließ etwas und ich verbrannte es, als ich erkannte, was es war. Es war Glück, dass ich diese Ketzerei erkannte, Glück, dass ich hier nicht habe. Wie soll der Rechtschaffene das Böse erkennen, wenn er es niemals betrachtet hat? War es damals ein Fehler, es dem Feuer zu übergeben?

Die Schwestern Fhirnriveien erlaubten sich heute einen Scherz mit mir, einen, den ich zu ernst nahm, vielleicht. Ich hätte niemals die Macht ein Wesen der Anderwelt zu bestrafen und auch die Kenntnis über einige der alten Bräuche geben sie mir nicht. Ich war verärgert, doch sie halfen mir in jene Höhle, in der die Feen hausen. Kleine, glitzernde Wesen, unaufmerksam, Spielereien Tsas, ihre wahrhaftigen Kinder, so die Legenden wahr sind.
Um mich von meinem Vorhaben abzubringen und meinen Paktschluss mit den Feen zu stören, offenbarte mir Alena Fhirnriveien, dass ich keineswegs die Stimme eines Alveraniars hörte, als ich am Schleim der dämonischen Spinne erstickte. Es war die ihre. Es steht außer Zweifel, denn die Fee bestätigte es.
Natürlich hat mich das erschüttert und natürlich war ich zunächst außerstande zu begreifen, dass diese Erkenntnis nicht so schwer wiegt wie ich mir einbildete. Der Traum von Alveran, der Traum der dunklen Stadt, der Traum von Purpur, er bleibt. Ich bin ein Mensch, vielleicht sogar noch einfacher als jene, die mein Vater als einfach betrachtete. Ich habe Fehler, mein erster war, dass ich davon ausging die Götter würden zu mir sprechen. Ich stand ihnen nie so nahe, dass sie dies so direkt tun würden.

Der Glaube kann schön und erfüllend sein, so er nicht hinterfragt wird. Heute stellte ich meinen auf die Probe, gleich zweimal, und ich verlor und gewann. Ich verlor das blinde Vertrauen und Gewann die Erkenntnis, dass die Götter durch uns handeln, das taten sie stets. Sie gaben uns alles was wir brauchen um das Böse zu erkennen, seine Natur zu verstehen und es zu bekämpfen. Es sind nicht die Dämonen, Orken oder bösartige Feen, die in längst vergessenen Schlupfwinkeln der Welten hausen und das Böse in die Welt hinaustragen. Das Böse ist wie die Kälte der Berge, die ich heute bestieg. Es ist kriechend, langsam und ehe man weiß was geschieht, wiegt es den Geist in einen sanften Schlaf, die Moral und das Gute, aus dem sie nie wieder aufwachen.
Wie aber kann ich etwas bekämpfen das in mir selbst ist? Ich werde mich dem Vorbild der Götter anschließen, auf ihren Pfaden wandeln. Hesinde lehrt uns, dass Wissen Macht bedeutet und Rondra lehrt uns, dass wir unseren Feind kennen müssen. Es wird Zeit für mich zu lernen und nicht länger die Augen zu verschließen. Ein Soldat der in einem Krieg kämpft kehrt zerrüttet heim, doch nur, weil er nicht bereit war weiter zu gehen, sich ganz zerstören zu lassen und sein kleinliches Weltbild abzulegen, in dem die Götter im wörtlichen Sinn ihre schützende Hand über seine Familie, über ihn, halten. Die Erkenntnis, dass sie dies nicht tun, dass er selbst stark sein muss, da ihm die Götter dafür bereits alles mit auf den Weg gaben, lähmt ihn und doch ist er nicht bereit in einen weiteren Krieg zu ziehen, zu erkennen, dass er dem Bösen in seine abscheuliche Fratze blickt und stärker wird, ein jedes mal. Er sieht lieber zu, wie eine Bande Räuber seine Familie niedermacht, unfähig den alten Speer zu erheben und zu kämpfen, weil er Angst vor dem hat, das in ihm schlummert. Angst davor, dass es erneut hervor kriecht und ihm Freude bereitet, wenn er Blut vergießt. Und lieber lässt er sie sterben, als dass er sich selbst prüft, seinen Glauben prüft und kämpft, mit dem Körper, mit dem Geist.

Frau Fhirnriveien hat mir heute nichts genommen, was ich ohnehin nie besaß. Ich werde Tsas Kinder bitten die Zauberei, die auf ihr liegt, von ihr zu nehmen und auf mich zu konzentrieren. Viel mehr, ich tat es schon. Ich muss sie überzeugen, dass sie es freiwillig zulässt und ich muss Blut von der Dämonin besorgen. Das heißt, ich darf ihr nicht alles erzählen, sonst wird sie in ihrer selbstgerechten Art wieder alles zunichte machen. Es wird einiges an Anstrengungen kosten sie dazu zu bewegen, aber ich kann nicht umhin tatsächlich zu erkennen, dass ich sie, trotz ihrer Fehler, mag. Und war ich nicht entzückt von ihrer Stimme, als ich jede irdische Last ablegte?

Wenn es vollbracht ist, werde ich die Dämonin aufspüren und werde meinen Glauben erneut testen. Ich werde sehen und wissen, werde stärker oder vernichtet. Ihr Chaos wird mich darauf vorbereiten dem wahrhaftigen Bösen gegenüberzutreten. Jenes Böse, das selbst Rohal der Weise nicht beim Namen nennen wollte. Die einzige Antwort, die er je schuldig blieb.

In der Zwölfe Gnaden, nachwievor,
Finnwaen Rothair


Notiz: Heute traf ich gleich zwei Damen aus meiner Heimatwelt, darunter auch Frau Silberärmel. Es ist an der Zeit sie genauer zu betrachten. Ich weiß, was sie ist. Ich höre, auch wenn es nicht danach aussieht, ich sehe, selbst wenn meine Augen verschlossen sind. Und ich habe sie gesehen, sie gehört. Und ich werde noch mehr sehen. Vielleicht werde ich geblendet und sie ist eine gute Frau. Vielleicht wandert sie aber auch im purpurnen Glanze und muss in der Sonne verbrennen. Ich habe gesehen was Frauen wie sie anrichten können, ich sah Grauweiler und seine Bewohner. So oder so, ich werde es wissen wenn sie ihr Kind zur Welt bringt, denn das Böse verabscheut die Unschuld.

Amilcare

Es ist eine Weile vergangen, seitdem ich meine Gedanken in diesem Buch niederschrieb, und viel ist seitdem passiert.

Ich habe

Es ist einfach

Nachdem ich mich aufgrund meiner letzten Auseinandersetzung mit der damals noch schwangeren Frau Silberärmel stundenlang in einer schlecht ausgestatteten Schmiede abrackerte, damit mir der Meister ein wenig Kupfer überließ, aus welchem ich einen Anhänger für das Kind dieser Frau formte, wollte ich am vorgestrigen Abend Frau Fhirnriveien aufsuchen. In dem Glauben, dass die völlig von ihren Emotionen kontrollierte Frau Silberärmel, deren Schwangerschaft sie in eine schlimmere Furie als jede Efferdsbraut verwandelte, mich nicht empfangen würde, zumindest nicht schmerzlos, wollte ich dieser anderen Person das Geschenk für das Kind überreichen.
Es war wohl im Nachhinein betrachtet nicht der klügste Zug, den ich je tat. Womöglich hat mich die Magie des Portals ohnehin eines Großteils meines Verstandes geraubt, der Rest wurde mir von Hexenflüchen und Feenzauberei ausgebrannt. Ich hätte es von Anfang an besser wissen müssen, denn als ich zuletzt diese Person "traf", spuckte sie mir zum Abschied in der Höhle der Feen Gift und Galle entgegen. Tatsächlich dachte ich, dass sich Hesinde meiner dann doch erbarmte, als ich zögerte, sie nicht ansprach und der Frau stattdessen erstmal folgte. Nun weiß ich jedoch, dass Xeledon mit Sicherheit seine Finger im Spiel gehabt hat, denn das Hohnlachen des Spötters erklingt in meinem Geist laut und schallend wenn ich an die darauffolgenden Begebenheiten denke.

Natürlich trampelte Frau "unbewaffnete und in der Kampfkunst überhaupt nicht bewanderte"-Halbelfe wieder einmal in der Dunkelheit allein in den Wald, nicht dass sie je aus irgendwelchen Geschehnissen dort gelernt hätte, geschweigedenn aus Nahtoderfahrungen. Ich weiß nicht, ob Travias sanfte Hand des Mitleids sich meines Herzens bemächtigte, oder ob bereits irgendeine abartige Form der Magie auf mich wirkte. Letztendlich folgte ich Frau Fhirnriveien. Keine Meisterleistung, wie ich eingestehen muss, denn dank meiner überragenden Schleichkünste und der trampelhaften Art und Weise, wie sich diese Frau durch das Unterholz bewegt und dabei jedes Getier im Umkreis einer Meile aufschreckt, gelang mir das unbemerkte Folgen mühelos.
Frau Fhirnriveien Der schändliche, einstmals rothaarige Laraan schritt geradewegs auf ein großes Feuer zu, das irgendwelche Heiden mitten im Wald entzündet hatten, wohl um in der Kälte irgendeine abstrakte Feier abzuhalten.

Zumindest dachte ich das.

Tatsächlich wurde ich in finsterste Ereignisse hineingezogen, deren Konsequenzen für mein eigenes Seelenheil auch jetzt noch nicht absehbar sind. Es waren mehrere Personen um das Feuer versammelt, teilten Speis und Trank, während ich meine Beobachtungen von der erhöhten Position einer Baumkrone aus fortsetzte. Ich erkannte, wie die Frauen der Versammlung, also fast alle Personen, halbnackt um das Feuer herum standen. Die Kälte, die selbst mich etwas frieren ließ, obgleich meine Kleidung mehr als angemessen schien, wirkte auf diese Frauen scheinbar nicht. Ich ahnte bereits schlimmes, doch dieses mal war es der göttliche Fuchs, der mich leitete, während Hesindes Weisheit irgendwo auf dem Weg zu dieser "Festlichkeit" verloren ging.
Ich erkannte einige der Personen, auf die Frau "furchtbar hübsch und eingebildet" zuschritt, was wiederrum meine Zuversicht, die ganze Aufklärungsmission unbeschadet zu überstehen, zunichte machte. Kurz darauf wurde die magische Wolfsbestie des Waldschrates, der sich unglücklicherweise auch unter diesen Leuten befand, mit ihrem underischen Spürsinn wohl auf meinen Geruch aufmerksam. Natürlich hätte mir jeder Phexjünger vorher geraten, jedwedes Duftwasser zu meiden, doch wer konnte ahnen, dass ich erneut in eine Spirale aus finsterer Beherrschungsmagie und dunkler Geheimnisse mitten in der Wildnis hineingezogen werden würde. Ich konnte jedoch die Bestie mit äußerst wirkungsvollen Bannworten zurücktreiben, was jedoch ihren Meister auf den Plan rief.
Der Waldschrat kam meinem Baum näher und wollte gerade seinem barbarischen Drang nach Gewalt nachgeben, indem er einen Pfeil sinnloserweise auf den Baum feuern wollte, ehe ich mit einer meisterhaften Darbietung meines Könnens einen unheiligen Baumgeist nachahmte. Meine Imitationen haben Fürsten und sogar eine Königin begeistert, kein Wunder also, dass auch der tumbe Waldläufer sich täuschen ließ. Leider scheint seine Tumbheit auch jedweden natürlichen Instinkt zu unterdrücken, sodass er an Ort und Stelle verweilte! Jeder vernünftige Mensch, nein, sogar jeder einfache Bauer weiß doch, dass ein Baumgeist mitten in der Nacht unglaubliche Gefahr bedeutet. Sergej, der Waldläufer, wusste es nicht, aber ich vermute, das hätte bei ihm auch keinen Unterschied gemacht. Wissen ist nur jenen von Nutzen, die auch über mehr als einen einfachen, tierischen Instinkt verfügen. Und meine Vorurteile diesbezüglich sollten sich im Laufe des Abends nur noch verfestigen.
Am Ende nützte all meine Kunst nichts, denn nun huschten auch die Augen der Hexen über das Gehölz des Waldes. Ja, es waren Hexen und ich war ein Narr, dass ich diese Versammlung nicht als das erkannte, was sie war. Denn auch hier hätte jeder vernünftige Mensch die Flucht angetreten, ein aussichtsloser Kampf, aber ein Finnwaen Rothair ist nun einmal nicht vernünftig. Auch dies sollte sich im Laufe des Abends noch mehrmals bestätigen.
Die Hexen, allen vorran die weißhaarige Elfe Na'riel, ließen irgendeinen unheiligen Zauber auf mich los, doch zunächst schien es zumindest so, dass ich ihrem Bann widerstehen konnte, nicht zuletzt weil ich sie mit meinem heroischen Befehlston einschüchterte!
Nun, von dem Erfolg beflügelt (oder aber durch Frau Fhirnriveien auf magische Weise verzaubert, möglicherweise), verließ ich das schützende Versteck und gab meine undurchdringliche Tarnung auf, um mir das ganze aus der Nähe anzusehen und notfalls allesamt mit einem Knüppel niederzustrecken.

Natürlich kam es nie dazu.

Ich kann mich nur noch lückenhaft an das Folgende erinnern und es wirkt auf mich wie eine Abfolge glückseliger Momente der Lasterhaftigkeit. Lasterhaftigkeit deshalb, weil sie zu glückselig waren, als dass sie mit der Götter Segen über mich gekommen wären. Mit einem aufrechten Gang und einem harten Blick trieb ich sodann den Waldläufer in seine schattige Ecke zurück, woraufhin sich Frau Silberärmel plötzlich, und völlig ohne ersichtlichen Grund, über ihn hermachte. Es folgen seltsame, verworrene Erinnerungen an erzwungene Tänze um ein Hexenfeuer und grauenvolle Klauenhände die mich packten. Zumindest denke ich, dass es grauenvolle Klauenhände waren, jeder rechtschaffene Göttergläubige weiß, dass Hexen auf ihren Festen oftmals die wahre Natur ihrer Göttin annehmen.
Ich sah nur noch, wie der Waldläufer erneut seinen niederen Trieben verfiel und weniger rahjanisch, sondern mehr levthanisch seine Gefährtin mitten am Feuer bestieg. In einem hitzigen Kampf dunkler Lust gefangen, rollten sie dann in das Gebüsch und nur noch tierhafte Laute drangen von dort an mein Ohr. Im Nachhinein vermag ich die Verantwortungslosigkeit dahinter überhaupt nicht abzuschätzen, immerhin war ihr Kind anwesend, kaum einige Tage alt, wurde es schon Zeuge der überraschend brachialen Verführungskünste seiner Mutter.

Meine Wenigkeit war währendessen gefangen von der Magie, welche die Hexen wohl gewirkt hatten. Irgendwie musste ich mich immer mehr um das Feuer drehen, tanzen und lachen, obwohl meine Seele weinte. Als ich dann auch begriff, dass mir selbst der Herr Praios nicht mehr helfen konnte, da mein Schutzamulett sich bereits durch eine unglaublich langwierige und undurchschaubare Intrige in den Händen Frau Fhirnriveiens befand, die mich wiederrum genau in diesen Augenblicken zum Tanzen zwang, gab es nur noch einen Ausweg.
Ich muss gestehen, dass ich nie ein großer Anhänger der göttlichen Rahja war und doch erschien es für meinem kühlen Verstand keine bessere Verbündete in diesem ausgefeilten Plan zu geben, den ich sodann in Sekundenbruchteilen fasste.
Da ohnehin nie jemals irgendjemand außer mir dieses Buch lesen wird, kann ich auch das Folgende recht reinen Gewissens niederschreiben. Sollte das Buch in die Hände meines Vaters fallen, so würde ich höchstwahrscheinlich ausgepeitscht und des Familiennamens beraubt, wenn er erführe, dass ich die Halbelfe küsste! Sie war sodann so sehr überrascht davon, dass ich den Zauberbann abschütteln konnte und sie mit allem Mut, der mir geblieben war, zur Rede stellte. Erneut erfüllte mich die Kraft der Zwölfe und Nandus selbst formte die scharfen Worte, die Frau Fhirnriveien von weiterer Ausnutzung meines gebannten Selbst abhielten. Aber ich hatte nun ihre Triebhaftigkeit völlig unterschätzt, obwohl ich es hätte besser wissen müssen. Niemand hat soviele Spiegel in seinem Heim, selbst wenn er König ist, und niemand schmückt sich derart übertrieben mit allerlei Tand, wenn man einen "Spaziergang" in die Wildnis unternimmt. Eitelkeit, Selbstverliebtheit und ein durch wohl unglückliche Umstände verliehenes, sehr ansehnliches Äußeres waren bisher immer ihre einzigen Charakterelemente.
Genau in diesem Moment kam Frau Silberärmel zurück, mit dem gierigen Blick einer Bestie, die gerade erst ein Beutetier auf rahjanische Weise in die Bewusstlosigkeit getrieben hatte und doch noch nicht gesättigt war. So umzingelt und einer Übermacht entgegengestellt, deren Magie nur mein fester Götterglaube im Zaum hielt, war nicht an einen Rückzug zu denken. Also ergriff ich erneut die Initiative und tat das, was ich am Anfang des Abends bereits vor hatte: Ich überreichte Frau Silberärmel das Geschenk höchstselbst!
Eine erneute taktische Finte, die jeden normalen Menschen völlig aus dem Konzept gebracht hätte, jedoch wirkte sie bei der lüsternen Hexe nur für wenige Augenblicke, ehe sie sich auch auf mich stürzen wollte. Zum Glück haben mich die Götter nicht mit körperlicher Schwäche gestraft, also konnte ich ihrer Umklammerung entkommen, ehe sie mir meine Hose ganz auszuziehen vermochte. Der Eindruck der Befleckung bleibt aber, immerhin krallten sich ihre Klauen äußerst heftig in mein Gesäß.
Erneut befreit, aber noch immer ohne wahrhaftige Waffe wider all dieser levthanisch bestialischen Vorgehensweise der in ihrer dunklen Ekstase gefangenen Furien, griff Frau Fhirnriveien mich sodann an. Sie schaffte es tatsächlich mich zu küssen, ehe ich mich losriss und allen erneut mit einschüchternder Stimme und stolzem Äußeren Einhalt gebot, selbst wenn mein Innerstes vor Furcht erzitterte.
Danach wird es noch lückenhafter und ich weiß auch nicht, ob die obige Erzählung der Ereignisse vollends der Wahrheit entspricht. Man darf nicht vergessen, zu diesem Zeitpunkt befand ich mich auf einem Hexenfest, auf dem mächtige Magie gewoben wurde und womöglich weckte diese Magie irgendetwas in mir, während sie mir gleichsam den Großteil meiner Erinnerung entriss.
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich die Zuneigung zu Frau Fhirnriveien, die an diesem Abend in mir durch Magie geweckt wurde, für natürlich empfand und demnach, als die beiden ihrer Lüsternheit duch mein bestimmendes Auftreten beraubt waren, auf zivilisierte Weise versuchte Frau Silberärmel und Frau Fhirnriveien mit einem Gespräch zurück in die Welt der Vernunft zu führen. Es muss mich sodann so erschöpft haben, dass ich wohl mitten auf diesem Hügel einschlief und am nächsten morgen irgendwo anders aufwachte, da ich wohl im Schlaf, ohne es zu merken, von eben jenem Hügel gestoßen worden war. Aber wer weiß was mir noch angetan wurde.

Leider kann ich nicht umhin zuzugeben, dass diese leichte Verliebtheit noch immer anhält, auch wenn ich mich im guten Glauben an die Götter und alles Menschliche dagegen wehre. Aber wer weiß schon, ob solche Dinge nicht dauerhaft sind? Bin ich nun ein wandelnder Sünder, oder wird mir Rahja vergeben, wo ich doch in ihrem Namen handelte und viel mehr, womöglich noch handeln werde? Es bleibt am Ende die vage Hoffnung, dass all dies nur ein weiterer Trick der dämonischen Kreatur aus dem Wald war, um sich meiner Seele zu bemächtigen. Denn selbst diese furchtbare Tatsache wäre leichter zu ertragen, als eine Liebe zu dieser grauenvollen Person.

So verbleibe ich, äußerst verwirrt und dennoch kampfbereit,
Finnwaen Rothair



Notiz: Es ist einfach unmöglich, dass diese Gefühle natürlich sind. Wie kann man sich von einer Person angezogen fühlen, die einen ständig in Todesgefahr und zur Weißglut bringt? Es ist schlicht unmöglich, denn die Logik Rohals verbietet es!

Amilcare

Ich habe nun einen der Magier aus der Akademie damit beauftragt mich erneut zu untersuchen, ob irgendwelche schändliche Zauberei auf mich wirkt, die meine Gefühle für Frau Fhirnriveien hervorrufen. Ich gab ihm einige Heller und die Zusage, dass ich ihm ein Autogramm der besagten Frau beschaffe, was auch immer das sein mag.
Als ich die Akademie verließ und in meine Räumlichkeiten im Seepferdchen zurückkehrte, wollte ich etwas Schlaf finden, wurde jedoch durch einen kleinen Dieb darin gestört, der sich meines restlichen Geldes und meines Tagebuchs bemächtigte. Ich verfolgte ihn quer durch die halbe Stadt und, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, in Unterwäsche, was wohl auch die Wache am Tor veranlasste sich dezent feixend aus dem ganzen herauszuhalten.
Irgendwo in der Wildnis verlor ich ihn zunächst, ehe mir Phex hold war und ich einer Brotkrumenspur folgen konnte. Offensichtlich hatte der kleine Dieb nicht nur mich meiner Habseligkeiten beraubt, war jedoch am Ende dem jämmerlichen Zustand der eigenen Kleidung zum Opfer gefallen. Ich erreichte sodann eine Stelle, an der sich mir fast der Magen umdrehte, als ich Eichentreff fand. Aber nicht nur fand, denn irgendwer oder irgendetwas hatte mein altes, treues Schwert in einen Stein gerammt! Es schien soweit nicht beschädigt, aber höchstwahrscheinlich von unheiliger Magie durchdrungen. Was für Leute tun soetwas?!
Ohne die Hoffnung mein Schwert jemals wiedererlangen zu können, noch mein Tagebuch und mein Geld, tauchte dann plötzlich der Vater des diebischen Jungen auf, der sich bei mir entschuldigte und mir meine Sachen zurückgab. Auf die Frage hin, was ich jedoch hier tun würde, antwortete ich im halben Scherz, dass ich versuche der neue Fürst zu werden, immerhin erlange man die Fürstengnade, so man dieses Schwert aus dem Stein befreie.
Natürlich ist das weniger gebildete Volk immer anfällig für Unsinn, demnach versuchte sich dann auch der Bauer voller Begeisterung daran das Schwert aus dem Stein zu ziehen und war davon auch nicht mehr abzubringen. Warum er sich dabei jedoch auch aller Kleidung bis auf die Unterwäsche entledigte, ist für mich ein Rätsel.
Vor wenigen Augenblicken kehrte ich in meine Räume zurück, wo der oben erwähnte Magus auf mich wartete und mir das Ergebnis der Untersuchung mitteilte:
Es liegt keinerlei Zauberei auf mir, außer der Bann der Dämonenkreatur!

Das kann

Es ist

Ich hasse diese Welt!




Und nach ganzen fünf zerstörerischen Minuten, in denen der zufällig in Finnwaens Räumen anwesende Schundroman "Prinzessin Alrique - Liebesgrüße aus Punin" die Unversehrtheit seines Einbandes einbüßen musste und nach einem kurzen Wortgefecht mit einem anderen, anfangs besorgten und dann eingeschüchterten Gast des Seepferdchens, fährt er dann mit seiner Eintragung fort, reingewaschen von Efferds unheilvoller Berührung.



Es erscheint mir sinnlos dagegen anzukämpfen und eine tatsächliche Bestätigung habe ich erst, wenn ich sie das nächste Mal sehe. Eine allzu große Hoffnung, dass diese Gefühle verschwinden, habe ich allerdings nicht, da ich ständig an diese Frau denken muss.
Um es am Ende im deutlichen Garethi zu schreiben: Ich habe keine Ahnung was ich machen soll.
Vielleicht sollte ich meinen alten Plan weiterverfolgen, die Feen dazu bringen den Dämonenbann von ihr auf mich zu verlagern, womit meine Chancen gut stünden bei einem Angriff auf die Dämonin zu sterben. Aber eine Flucht nach Alveran erscheint mir doch leicht übertrieben, zumal ich es tatsächlich hätte schlimmer treffen können. Rahja hätte sich auch mit Phex zusammentun und mir einen Streich spielen können, indem ich mich in irgendeine Kröte verliebe. Denn hübsch ist sie und, obwohl sie recht eitel ist, scheint mir das mehr und mehr unwichtig. Immerhin habe ich bereits in der Vergangenheit genügend Damen kennen gelernt, deren Eitelkeit selbst den Glauben eines Priesterkaisers übertroffen hat. Und doch waren sie am Ende recht angenehme Gesellschaft, auch wenn ich nur ein einziges Mal wagte um eine der ihren zu werben, mit katastrophalem Ausgang.
Was bleibt mir also übrig? Womöglich ist es das beste für alle, wenn Frau Fhirnriveien sich mit irgendeinem horasischem Stutzer liiert, der ihre Eitelkeiten teilt. Was würde ich dafür geben noch einmal Meister Cerastellis Gesang lauschen zu dürfen, denn es gab kaum einen Moment größerer geistiger Klarheit in meinem Leben. Und schlussendlich tausche ich nun den Besuch der Vinsalter Operntage gegen eine verrückte, götterlose Welt und die Liebe Zuneigung zu einer mindestens ebenso verrückten Halbelfe.
So ich meinen Gedanken jedoch weiter nachhänge, erscheint mir das ganze kaum überraschend, bedenkt man, dass die Elfen schon immer allerorten für ihre Schönheit gepriesen, aber auch gefürchtet wurden. Der Volksmund spricht nicht umsonst von einem geschenkten Lebensjahr, so das Bett mit einem Angehörigen des schönen Volkes geteilt wird, jedoch habe ich nicht vor den Wahrheitsgehalt dieser Aussage genauer zu prüfen. Auch wirkt auf mich die Schönheit und Anmut der Elfen, die ich in dieser Welt sah, eher befremdlich, wie die eines stolzen Raubtieres, dessen Gefährlichkeit gleichzeitig den Großteil seiner Aura ausmacht. Bei Alena ist dem wohl nicht so, nein, ich muss sogar zugeben, dass ihre Züge und auch ihr Verhalten nicht immer menschlich, aber dennoch weit angenehmer und anziehender auf mich wirken.
Aber all diese Vermutungen und Gedankengänge bringen mich nicht weiter, denn die Frage bleibt nachwievor bestehen: Was fange ich nun mit der Erkenntnis über diesen, möglicherweise nur temporären, Zutsand an?
Sollte ich mich erneut in der Kunst der Minne bemühen? Das erscheint mir kaum angemessen, nicht nur weil Frau Fhirnriveien nicht dem Adel entstammt. Wie ich bereits schrieb war das letzte mal, als ich diese ritterliche Kunst ausübte, das Ergebnis katastrophal. Demnach sollte ich vielleicht all dies ignorieren und weitermachen wie bisher? Was kann schon Rahjas Flüstern gegen einen von Hesinde und Nandus gestärkten Geist ausrichten.
Zunächst einmal gibt es wichtigeres, denn noch immer wandelt das dämonische Wesen in der Wildnis dieses Fürstentums umher, bereit jedwede unschuldige Seele zu verschlingen, während meine Klinge in einem Stein steckt. Aber auch die Suche nach einer festen Beschäftigung mit anständigem Lohn ist von äußerster Wichtigkeit, immerhin sind in diesen Landen kaum irgendwelche von Räuberpack bewohnte Höhlen aufzufinden, deren Schätze ich sorgenlos an mich nehmen kann. Dies hätte auch den Vorteil, sollte ich gewissen grünen Augen letztendlich doch erliegen, so kann ich zumindest einen Teil der Schulden begleichen, die ich für die horrenden Ausgaben an Geschenken und Tand, der ein Frauenherz höher schlagen lässt, höchstwahrscheinlich machen muss. Und ich kann ihr wohl schlecht mit einem abgeschlagenen Rotpelzarm oder einem selbstgeschnitzten Schmuckstück imponieren. Nicht dass ich dies zu diesem Zeitpunkt wollen würde!
Nun werde ich erst einmal das wenige an Geld, das ich noch besitze, in die anderen Freuden Rahjas investieren. Ich hörte von einer verruchten Schänke im Hafenviertel, deren Bier zwar verwässert, aber für wenig Geld in Massen vorhanden ist. Immerhin kann man den Göttern stets auf verschiedene Weise dienen.

Mit der Aussicht auf ein thorwalsches Besäufnis,
Finnwaen Rothair



Notiz: Mir fällt gerade noch ein, dass ich überhaupt keine anständige Kleidung mehr besitze. Ich muss einen der örtlichen Schneider aufsuchen, vielleicht einen etwas preiswerteren, der mich wieder wie einen zivilisierten Menschen aussehen lässt. Und möglicherweise sollte ich doch nicht diese Schänke aufsuchen, immerhin schleicht Frau Fhirnriveien irgendwie überall in dieser Stadt rum und es würde einen schlechten Eindruck machen. Wenigstens sieht man sie bereits von weitem, ihre Schönh ihr Auss sie ist recht auffällig.


Zweite Notiz: Was ist aber, wenn sie das ganze gar nicht erwiedert? Wenn sie all das nur tut, um mich bloßzustellen? Möglicherweise werde ich hier gerade systematisch demoralisiert, ohne es zu merken.


Dritte Notiz: Weniger Notizen verfassen, die Übersichtlichkeit meiner niedergeschriebenen Gedanken lässt zu wünschen übrig.

Amilcare

Nun bin ich wieder in meinen Räumen und es ist getan, der Dämon ist gebannt. Der Preis für die Bannung war mein zerschmetterter Leib und mehr.
Wie erwartet liefen wir in eine Falle, ein Kind schrie in einer Höhle, die Weichherzigen unter uns folgten dem Schreien ohne Vorsicht und Verstand. Und trotz aller Vorbereitung, trotz all der Gebete zu den Göttern spüre ich noch immer den Nachhall ihrer widerlichen Stimme in mir. Mit Verlockung und finsterer Magie berührte sie mich, zwang mich dazu in ihrem Namen zu handeln. Es scheint kein Trost, dass ich mich dagegen wehren konnte, denn als dies geschah, hatte mir ihre Magie bereits genügend Wunden zugefügt. Der Pakt mit den Feen wirkte, aber ich konnte nicht damit rechnen, dass die Götter mich in meiner dunkelsten Stunde im Stich lassen würden. Ich hatte nicht mehr die Kraft gegen sie zu kämpfen, als ich wieder Herr meines Geistes war. Mein Speer flog kraftlos durch die Luft, während meine Gefährten all ihre Kräfte auf das Unwesen niederregnen ließen. Der Schmerz übermannte mich und ich konnte nicht mehr Ausweichen, als sie eine niederhöllische Feuersbrunst auf uns niedergehen ließ.
Ist es Ironie, oder klare Erkenntnis, dass der einzige, der sich ganz und gar in der Götter Hände begab um gegen das Unwesen zu bestehen, am Ende auch der einzige war, der vom Feuer verzehrt wurde?
Unter unvorstellbaren Schmerzen verlor ich meine Sinne, als das Feuer mein Fleisch zerriss. Es war sogar heiß genug, um Teile meines Kettenhemdes zu schmelzen, jedoch hat es auf jeden Fall die Rüstung zumindest zum Glühen gebracht.

Dieses mal hörte ich keine lieblichen Alveraniarsstimmen, kein Sonnenstrahl lockte mich nach Alveran, nicht einmal das Rauschen von Golgaris sanften Flügeln vermochte ich zu hören. Es gab nur Dunkelheit und Stille. Ich fror, obwohl es nicht kalt war, und sehnte mich in meine Kindertage zurück, in jene verlorene Unschuld, die mich vor dem Begreifen und Erkennen der Welt schützte, während mir die leeren Versprechungen der Erwachsenen, der Eltern, ein Gefühl von Sicherheit schenkten. Aber so ist es immer, nicht wahr? Letztendlich sehnen wir uns als Kinder nach der Erkenntnis, nach dem Erwachsenwerden, dem Recht Verantwortung übernehmen zu dürfen, ehe uns bewusst wird, dass es eine Pflicht ist. Wir wollen das Konstrukt dieser Welt begreifen und können es nur, wenn wir erwachsen werden, die Unschuld ablegen. Dann, wenn es soweit ist, und wir das Konzept der Zeit erfassen, den ständigen Verlust von Kraft und nur zwei Möglichkeiten aus dieser Welt zu scheiden, entweder langsam verrottend oder schnell und unter grauenhaften Schmerzen, erst dann sehnen wir uns nach dem Schleier der Kindheit zurück, der unsere Augen bedeckte. Was bringt Erkenntnis, was bringt der große und klare Verstand, der über den Tellerrand hinauszublicken vermag, wenn er dort nichts sieht. Zurück kann er nicht mehr, er kann sich nicht mehr unter jene mischen, die es nie wagten, oder nie konnten. Sein Wissen und seine Klarheit werden zu einem Fluch, der das Leben unerträglich macht.
In jenem Moment zwischen Leben und Tod gab es für mich nur furchtbare Angst. Ich war allein und begriff, dass ich niemals zurück könnte und dass, so ich eines Tages erneut an dieser Schwelle stehen würde, mich die Stille letztendlich bis in alle Ewigkeit foltern würde.

Ich habe mich noch nie so einsam gefühlt wie jetzt, selbst auf meinen Reisen nicht. Dieses erschütternde Erlebnis verfolgt mich noch, obgleich Tage vergangen, nicht nur im Schlaf. Meine Hände zittern noch immer, daher brauche ich für diesen Text weit länger. Mein zerschlagener Leib ist an Hässlichkeit kaum zu überbieten, selbst wenn mein Gesicht größtenteils verschont blieb. Aber das Schlimmste ist die Stille. Jene Stille, die den ungewünschten Gast einlädt, die Angst, weil es niemanden sonst gibt, der auf die viel zu lauten Fragen des eigenen Verstandes antwortet.
Ich erwachte nach der Schlacht im Heim von Frau Silberärmel und des Waldläufers, der mich dorthin getragen haben musste. Einige andere waren bereits in die Stadt aufgebrochen, um dort im Tempel ihre Wunden zu versorgen. Warum ich nicht dorthin gebracht wurde ist mir ein Rätsel, aber ich habe auch nicht gefragt. Vielleicht war es eine Anwandlung von Mitleid? Es ist egal, denn ich bin dankbar. Nicht nur dafür, dass meine Wunden versorgt wurden, sondern dafür, dass ich nicht im Tempel erwachte.
Zunächst war ich verwirrt und dachte, ich wäre wieder einmal durch irgendein Trugbild gefangen, womöglich der Magie der Hexen ausgesetzt. Später begriff ich, dass dem nicht so war. Ich sah eine andere Welt, denn das Unwesen hatte mir die Augen geöffnet. Plötzlich erkannte ich das Gute in dem Lächeln Frau Silberärmels, als sie meine Wunden versorgte. Das verstörte und kindliche in ihrer stummen Freundin, die trotz ihres Zustandes mir Trost spenden wollte. Ich sah den Waldschrat, wie er Anwandlungen von Zuneigung für etwas Schutzbedürftiges zeigte, hörte wie er sang. Und natürlich sah ich sie und die Enttäuschung in ihren Augen, begriff sie aber erst, als sie von den Feen zurückkehrte, denen sie mit dem Waldläufer die Überreste ihrer Königin überbrachte.
Enttäuschung trifft es gut, denn letztendlich war mein Misstrauen gegenüber den Magiern der Akademie wohl nicht gerechtfertigt. Der Zauberbann des Dämons schien nicht stark genug, um mich zu töten. Abgeschwächt hätte er uns beiden womöglich nur ein paar Kratzer eingebracht, doch so nahm er mir meine Kraft und verhinderte, dass ich mich vor dem feurigen Verderben schützte.
Noch immer kann ich nicht lange in das Feuer blicken, selbst eine Kerzenflamme beschwört die Furcht herauf, die meine Gedanken lähmt. Ehe mich das Feuer verschlang, sah ich sie. Und sie sah mich, mit Sicherheit, aber sie half mir nicht.
Sie ermöglichte mir Erkenntnis und ein viel größeres Opfer, das ebenso sinnlos wie der Pakt mit den Feen erscheint. Das Opfer meines Glaubens, an das gute Ende und an die allgütigen Götter. Niemand war dort. Wir sterben alle allein.
Also ist es wirklich getan? Ja, aber nicht so, wie wir dachten und wünschten. Der Dämon siegte, denn er wurde nicht vernichtet. Man kann das Chaos und das Böse nicht vernichten, man kann es nur vorrübergehend bannen. Und dort, in den Niederhöllen, vereint mit ihren dunklen Herren, wird sie sich nun an dem Leid erfreuen, das sie über uns brachte, das sie über mich brachte. Welch größeren Sieg kann es für solch ein Nichtwesen geben, als einen festen Glauben zu erschüttern? Welch größere Grausamkeit hätte sie mir antun können, als sie mir diese Offenbarung zum Geschenk machte?

Ich bedankte mich bei Frau Silberärmel und ging, als es mein Zustand es zuließ. Zunächst erstand ich in der Stadt von einem Trödler mit meinen letzten Münzen eine alte Kutte, denn brauchbare Kleidung besitze ich nicht mehr, das Feuer zerstörte die letzte. Einen langen Stab fand ich im Wald, als ich dorthin zurückkehrte, denn ich brauche diese Stütze, hin und wieder geben meine Beine noch nach. Denn obwohl ich dort, wo das Feuer meinen Leib zerstörte, keine Schmerzen spüre, greifen sie hin und wieder nach meinen Beinen und Armen, so als wären sie gewandert, und mein Gesicht fühlt sich an, als hätte es jemand gestreckt.
Ich kehrte in die Höhle zurück, in der wir in den Hinterhalt gerieten, um dort meinen Schild zu bergen und die Leiche des Orkkindes, welches uns unabsichtlich in den Hinterhalt gelockt hatte, zu bestatten. Die Schwarzpelze sind grausam, grausam weil sie sich dafür entscheiden und jene unter ihnen, die es nicht sein wollen, werden vernichtet. Aber dieses Kind hatte niemals die Wahl, niemals die Freiheit seinen Weg selbst zu bestimmen, selbst zu entscheiden. Aber vielleicht ist ihm damit noch viel größeres Leid erspart geblieben. Wenn es zu lieben gelernt hätte, gesehen hätte, was es alles haben könnte und ihm dann dieses Schicksal zuteil geworden wäre, hätte es vielleicht mehr als nur sein Leben verloren.
Meinen Schild vermochte ich nicht mit zurückzubringen, dazu fehlte mir die Kraft, also nutzte ich ihn als Grabstein für das Kind.
Dann kehrte ich zurück und war froh um den Trubel und das laute Treiben der Stadt, obwohl ich nicht daran teilhaben konnte. Zum ersten mal kann ich besser schreiben, während ich das unsägliche Pärchen neben meinem Zimmer höre, und den gescheiterten Gelehrten im Herbst seines Lebens, der sich über dieses Treiben lautstark beschwert. Schlaf finde ich keinen mehr, jedes mal sehe ich die Flammen, spüre, wie sie mich fressen und höre dabei nichts, nicht einmal mein eigenes Schreien.

Morgen werde ich mich zu den Feen aufmachen, denn trotz allem besteht der Pakt weiter fort. Er wurde mit ihrer Art geschlossen, nicht mit ihrer Königin. Aber können sie mich wirklich hindern? Zwänge scheinen ihnen ein Graus. Es erscheint mir jedoch ohnehin gleich wo ich sterbe, oder wie, nun da ich weiß, was mich tatsächlich erwartet. Und dort in ihren eisigen Höhlen, gibt es zumindest kein Feuer.
Ich weiß nicht, ob ich mich von Alena verabschieden sollte. Auch ich, der ich nie gut in solchen Dingen war, war bereits desöfteren einer Verliebtheit ausgesetzt, einer großen Zuneigung und dem Wunsch nach Nähe. Ich weiß nicht, was bei ihr anders ist. Ich weiß auch nicht, wer sie ist, und doch erahne ich es immer mehr. Ich kenne keine wirklich wichtige Einzelheit aus ihrem Leben, ich habe nie gefragt. Ein Kampf schien mir wichtiger als ein Lächeln, der Tod aussichtsreicher als das erfüllte Leben.
Zurück kann ich nicht mehr, am Ende bin ich verloren und werde den Weg nachhause nicht mehr finden. Ich kann nur noch eins tun und mich von ihr fernhalten. Sie nicht mit dem Keim der Erkenntnis anstecken, oder ihr noch mehr Enttäuschung bereiten. Ich glaube ohnehin nicht, dass sie für mich noch Liebe empfinden könnte. Hässlich ist mein Antlitz nun, während mein Inneres wie ein verängstigtes Kind im Dunkeln weint. Ich wäre selbst in der Zukunft nicht in der Lage sie vor irgendetwas zu schützen, was nicht an meinem geschundenen Leib liegt. Ich konnte heute nicht einmal einen schmächtigen Mann schützen, der von einem anderen im Hafenviertel verprügelt wurde. Warum auch? Mit der Erkenntnis, dass alles unabsehbare Konsequenzen hat, gibt man sich am besten der Logik des kalten Verstandes und nicht des warmen Herzens hin. Aber es war Angst, die mich zurückhielt. Nicht die Furcht, selbst zu Schaden zu kommen, Feuer war nicht im Spiel. Die Furcht vor dem Unabsehbaren hielt mich zurück. Was, wenn dieser schmächtige Mann am Ende ein kalter Mörder war? Was, wenn er, so ich ihn retten würde, in der gleichen Nacht noch in das Haus des anderen einsteigen würde, dort dessen Tochter die Kehle öffnet, während der Vater durch meine Hand nicht mehr in der Lage ist sie zu schützen? Die Konsequenz wäre dadurch viel fataler als ein paar gebrochene Knochen, oder ein verbrauchtes Leben auszulöschen.
Alena tat das gleiche. Sie gab ihrem Herzen nach, ohne Sinn und Verstand, so wie es nur die Unschuldigen tun. Jene, die das Gute ohne das Böse sehen können. Der Preis war ebenso hoch, hätte aber sogar noch höher sein können. Man stelle sich vor, wieviele von uns hätten sterben können, und selbst wenn wir das Kind hätten retten können, wäre es doch nur mit uns gestorben.

Es war nicht Praios, der mir Stärke mit den warmen Strahlen der Sonne schenkte, sondern ihr Lächeln. Ich muss mir eingestehen, dass ich von Anfang an wohl von ihr angezogen war. Vielleicht zunächst durch all die Geschichten, meine unstillbare Neugier als Antrieb. Und als ich dann merkte, dass meine Seele trotz dem Blick in ihre hübschen Augen noch immer mir gehörte, wie hätte ich da anders empfinden können? Und dann tat ich das, was mein Vater tat, das, was Rohal uns austreiben wollte: Ich stellte die Liebe zu den Göttern über die Liebe zu den Menschen. Ich wollte sehen, ob mein Glaube auch in dunkelsten Moment bestand haben könnte und stieß eine Tür zu, in der Hoffnung sie damit zu schützen. Am Ende verlor ich beides, die Tür lässt sich vielleicht wieder öffnen, doch bin ich nicht sicher, ob ich sie durchschreiten kann. Mein Glaube hatte keinen Bestand. Keine Erwählung, keine Nähe zu Praios.
Wir werden sehen, ob die unschuldigen Kinder Tsas meinen gebrochenen Leib und meine dunklen Gedanken ertragen können. Wenn nicht, werde ich weiterziehen. Aves Segen ist mein Fluch, denn als ich mein zuhause verließ, verließ ich es für immer. Ich weiß nun, dass ich nie wieder zurückkehren kann und etwas in mir treibt mich dazu an weiterzuziehen, verdammt dazu niemals Ruhe zu finden, wie mir scheint. Und, so ich doch etwas finde, für das es sich zu leben, zu kämpfen und zu bleiben lohnt, dann stoße ich es weg.
Ich hoffe Boron segnet sie, aufdass sie die Enttäuschungen vergisst, die ich ihr bereitete. Und ich hoffe Tsa erhält ihre Unschuld, aufdass sie niemals sieht, was ich sah.

In der Hoffnung, dass ich erwache,
Finnwaen Rothair




Notiz: Ich muss mich korrigieren. Jetzt würde ich gerne darauf verzichten das Treiben des Pärchens zu hören, denn es würde selbst einem Rahjageweihten die Schamesröte in die Wangen treiben.

Amilcare

#7
Wie soll sich ein Sterblicher zwischen der Liebe zu einem Gott und der Liebe zu seinem Leben entscheiden? Ist es überhaupt möglich, sollte die Liebe nicht alles vereinen?
Und trotzdem spüre ich, dass es nicht das selbe ist, nicht einmal das gleiche. Wie kann ein einzelner Mann zwölf Göttern gleichzeitig dienen, oder ihnen zumindest nicht freveln? In meiner Heimat wird stets von den unteilbaren Zwölfen gesprochen, aber tatsächlich ist die Zwölf als Zahl doch teilbar. Nicht mehr als Floskeln erscheinen mir die Wünsche und Segen, die ich in ihrem Namen ausspreche. Wenn ich die Gastfreundschaft eines anderen in Travias Namen preise, oder ihm den Segen Borons wünsche, so er sich zum Schlaf niederlegt.

Immer sagten die Geweihten, dass die Zwölfe eins sind, dass auf sie die Weisheit, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, mehr als auf alles andere zutrifft. Aber sollte etwas, das perfekt ist, nicht eins sein? Ein Teil, ein Ganzes. Bedeuten nicht mehr Teile, die in der Summe ein Ganzes bilden, nur in einen Rahmen gezwungenes Chaos? In meiner Jugend zweifelte ich nie die Richtigkeit dieser Lehren an, da jene, die sie mir vermittelten, die Macht besaßen die Welt zu verändern und nach ihren Wünschen zu gestalten. Aber nun erscheinen mir diese Lehren, so weit von den Grundfesten des Glaubens, immer mehr zweifelhaft.
Hier, in diesen Landen haben die Bauern noch nie von der Göttin Peraine gehört und doch bestellen sie ihre Felder, fahren Jahr für Jahr ihre Ernte ein, mal weniger, mal mehr. Ganz so wie zuhause unter Peraines Segen. Und hier träumen auch die Menschen, ohne Boron preisen zu müssen, sie lieben, ohne Rahja zu kennen und herrschen, ohne Praios zu ehren.
Und doch sandte mich Aves damals aus, Hesinde lehrte mich in Nostria, Boron öffnete mir die Augen auf meinen Reisen, Rondra verlieh mir Stärke in den Kämpfen, die sich nicht vermeiden ließen. Nur Praios war mir fern, seit meiner Jugend, denn er erschien mir nicht mehr als der Schatten meines Vaters, größer als er, im Hintergrund lauernd und all jene mit brennendem Blick strafend, die die Wahrhaftigkeit der Urteile seiner Diener auf Dere anzweifelten.
Aber hier leitete er mich, er war der einzige Gott zu dem ich tatsächlich sprach, eins. Der Erste und der Höchste. Ist die Sonne nicht auch Liebe, Wärme und Zorn? Ist nicht sie es, die uns die Bedeutung von Zeit lehrt, uns die Jahre bringt, die Winter nur damit auslöst, dass sie sich entfernt, uns Hoffnung und Weisheit schenkt, Inspiration?

Meine Angst ist noch gegenwärtig, der höchste der Götter nahm sie mir nicht, er schenkte sie mir. Ohne Angst sind wir nichts, genauso wie wir ohne Liebe nichts sind. Denn Angst ist nicht nur die Furcht vor dem eigenen Tod, sondern auch vor dem Versagen. Angst davor das eigene Leid anderen anzutun, Angst um die eigene Familie, Angst vor dem Morgen wenn man das Heute nicht zum besseren verändert.
Manchmal gebe ich mich dieser Angst hin und all der Verworrenheit dieser Welt, lasse mich einfach fallen in das Chaos, das all die hier aufeinander prallenden Kulturen und Religionen entfachen. Und dann spüre ich es, weit weg. So weit weg wie einer der schwächsten Sterne am Nachthimmel und doch da, stetig leuchtend und vom Chaos der anderen überstrahlt. Wie Kerzen, die heller brennen, aber dafür auch schneller erlöschen, während der menschliche Betrachter Bilder in ihr Chaos hinein interpretiert, um ihnen einen Sinn zu geben, um nicht mehr Angst vor dem Unvorstellbaren zu haben. Aber die Angst ist wichtig, ohne sie weiß ich nicht wofür ich kämpfen soll. Und Kampf bedeutet nicht das, was die Geweihten Rondras mir immer glauben machen wollten. Kein Klingenkreuzen, kein Aufopfern für Schwache. Kampf bedeutet das Licht zu sehen, stetig darauf zuzustreben und die Schwachen mit sich zunehmen, damit sie ihre Schwäche ablegen, sich fürchten und lieben.

Boron lehrt das Schweigen, aber wozu haben wir dann die Stimme. Hesinde lehrt die Weisheit, und doch sind wir nicht weiser als vor tausend Jahren. Ingerimm lehrt die Schaffenskraft, aber wir schaffen stetig, gleichmäßig, nicht mehr und nicht kunstvoller als jezuvor. Alle der Zwölf wollen mehr von den Sterblichen, wollen Steigerungen und zeigen ihnen Möglichkeiten auf, nach denen sie streben und die sie nie erreichen. Denn für das Erreichen müssten sie heller brennen, aber was heller brennt verbrennt schneller.
Nur der Eine glüht am Horizont, jeden Tag. Auf mich wirken hier auch die Sterne nicht wie Diamanten aus Phexens Hort, sondern viel mehr wie die Bruchstücke des großen Auges des Götterfürsten. In der Nacht zerschlagen, vielleicht weil die Menschen nicht genug glauben, vielleicht aber auch nur, damit sie in der Dunkelheit Ruhe finden. Nur ein Gott kann eins sein, für die Sterblichen muss es immer mindestens zwei geben. Ohne Hass keine Liebe, ohne Angst keinen Mut, ohne Barmherzigkeit keine Gnadenlosigkeit.
Aber wir streben trotzdem, obwohl wir das Eine nicht verstehen können, ständig nach der Vereinigung zum Einen. Immer und immer wieder wollen wir aus zwei eins machen, sei es die Liebe, die man für eine Frau empfindet, oder die für einen Gott.
Es ist anzunehmen, dass die Menschen, die ich hier kennenlernte und die mich kennenlernten, denken, dass ich die Magie fürchte weil sie so mächtig ist. Aber das stimmt nicht, zumindest macht es nur einen Bruchteil meiner Furcht aus. Magie ist etwas, das niemals in die Hände Sterblicher hätte fallen sollen. Wie kann ein Sterblicher, der die Natur des Göttlichen nicht versteht, über Blendwerk und Macht verfügen, die es imitiert und schwächere Naturen sogar völlig vom Göttlichen trennen kann. Meine Furcht begründet sich darin, dass die Magie das Göttliche zwar nicht erreicht, aber für den begrenzten menschlichen Geist eine angenehme Alternative darstellt. Die Magie ist nicht so tiefsinnig, sie ist ein Ding, ein Etwas, das mit ausreichend Geisteskraft verstanden, ja, sogar beherrscht werden kann. Aber letztendlich sollen wir nicht alles verstehen, letztendlich muss es eine Dunkelheit zwischen dem Leuchten der Sterne geben, denn nur dadurch sehen wir sie. Magie selbst ist nicht böse und nicht gut, aber sie ist eine Macht die korrumpiert, mehr als jede andere. Wenn ich sehe, wie bereits weltliche Herrscher durch ihr Geburtsrecht oder das Recht der Klinge dem Stillstand nachgeben, oder gar zurückfallen, dann mag ich mir nicht vorstellen wie tief jemand, der der Zauberei mächtig ist, fallen kann.
Und es ist nicht richtig. Ein tyrannischer Fürst wird von dem Volk gesehen, er wird gekannt. Ein Magier, der dem Finsteren erliegt, wird nicht gesehen, weil seine Macht sich nicht aus uns allen speist, sondern nur aus ihm selbst. Er will zwei sein, obgleich er versuchen sollte sich mit seiner Magie zu vereinen, nicht zu herrschen oder zu dienen.

Zweifelsohne würde ich in meiner Heimat für diese Worte mit einem Kirchenbann belegt werden, wenn nicht mit schlimmerem. Aber ich las auch davon, dass ich nicht der einzige war und bin, der so denkt. In den zweifelsohne schlecht bestückten Bibliotheken Nostrias konnte ich in einem alten Folianten über Sagen und Legenden tatsächlich von einem Mann erfahren, der auch dachte, dass Praios nicht nur die Eins ist, sondern auch die Zwölf und jede andere Zahl. Aber er verfiel dem Zorn des Herrn, weil das Leid, das er in der Welt erkannte, ihn in den Wahnsinn trieb. Er konnte die Welt nicht heilen, das lag außerhalb seiner Möglichkeiten, aber da er wusste, dass zerstören immer leichter ist als erschaffen, versuchte er sich darin. Er verbrannte viele, darunter auch viele Unschuldige, ehe er erkannte, dass das Zerstören ebenso schwierig ist wie das Erschaffen und Heilen, denn wir können nicht zerstören ohne jedes mal einen Teil unserer selbst zu opfern.

Die streitenden Königreiche unterlagen nie der Herrschaft des Zwölfgötteredikts. Es war faszinierend und beängstigend zugleich, wie Naturkulte und verwaschene Kirchen der Götter nebeneinander existierten, sich teilweise sogar ergänzten. Nicht anders als hier, vielleicht nicht so extrem.
Wahrheit und Licht. Es möge mir ein Geweihter erklären, wie die Göttin Hesinde ohne beides Weisheit erlangen, oder überhaupt einer der Zwölfe seine Liebe unter die Menschen tragen will.
Ein Sterblicher kann nur einem Gott folgen, ohne zu sündigen. Schnell oder langsam brennende Kerzen, dieses mal erscheint es mir sinnvoller, einige Kerzen auszublasen, ihren Docht und ihr Wachs an die Größte zu geben, damit diese tatsächlich heller brennen kann, am Ende aber nicht schneller verbrennt, sondern ewig währt. Und in ihrem Schein sehe ich keine Täuschungen mehr wie in dem der tausend anderen, sondern nur jene die ich liebe. In ihrem Flackern sehe ich meine Feinde, während die Dunkelheit, in der sie sich verstecken können, gebannt ist.
Auch die Feen werden mich daran nicht hindern. Wahrheit erfordert, dass ich zu meinem Wort stehe, doch sie dienen dem Göttlichen, das sie erschuf, nicht weil sie es möchten, sondern weil sie es müssen. Sie werden niemals verstehen und sie werden mich niemals aufhalten können. Und nun, da ich mein Amulett wieder habe, finde ich genügend Kraft um ihren Obszönitäten entgegen zu treten. Nicht weil ein Symbol mir Glauben schenkt, sondern den Glauben, der bereits da ist, hervorruft. Eine Notwendigkeit der Unvollkommenheit, wie eine zerschlagene Sonne am Nachthimmel.

Mit schmerzenden Händen und Beinen,
Finnwaen Rothair





Notiz: Bei all der tiefen Erkenntnis scheint mir der wahre Zweck meines Eintrages entfallen zu sein. Natürlich gibt es ein Ziel. Und ich will verdammt sein, wenn mich die Götter, diese verrückte Hexe oder diese teuflische Eidechse davon abhalten!

Amilcare

Es erscheint mir im nachhinein seltsam, dass ich mich religiösen Debatten hingebe, wo ich doch selbst mir nicht eingestehen kann, dass mein Glaube längst zerbrochen ist. So wie ein Spiegel, in den ich zulange hinein sah und als ich endlich erblickte, was ich suchte, entglitt er meiner Hand und zerbrach in Scherben.
Eine Frau, ein Neuankömmling in dieser "Welt", gesellte sich vor einigen Tagen zu mir und anderen an einen Tisch vor der Schänke zum Humpen. Insgeheim frage ich mich immer, warum jene, die nicht ständig die Hitze des Feuers auf ihrer Haut spüren, die Kälte des Winters so sehr suchen.
Sie war idealistisch, sie offenbarte den anderen und mir ihre Absichten, die darin bestanden, dass sie den Armen und Kranken helfen möchte, natürlich im Namen ihrer Gottheit. Es schien mir jedoch mehr eine Predigt, gleich jenen hohlen Worten, wie sie viele Priester und Göttergläubige stets hinaus posaunen, um ihren eigenen Schild wider der tatsächlichen Kälte der Welt aufzubauen.
Ich vermute, sie und die anderen halten mich für tief religiös, wenn auch verbittert. Tatsächlich aber war es nur ein letzter Versuch, den Weg zu beschreiten, den ich mit meiner Ankunft an diesem Ort einschlagen wollte. Ein Weg, der mir ebenso als Schild dienen sollte, ein Weg der mir niemals vorherbestimmt war. Es gab Gründe, warum ich nicht so wurde wie mein Vater, oder meine Brüder. Aber ihre unglaubliche Standfestigkeit, gleich welche Ideale sie vertraten, wirkte auf mich stets äußerst beeindruckend, denn mir fehlte diese von Anfang an. Und hier, all den seltsamen Eindrücken und Wesen ausgesetzt, den verwirrenden Idealen und Ansichten, schien es mir nur logisch, dass ich mich auf jenen Pfad begebe, um mich schlussendlich nicht selbst zu verlieren.
Aber letztendlich war es genau dieser Pfad, der mich mehr und mehr meiner selbst kostete.

Ich sehe keine Ketzerei darin, den Menschen zu helfen, auch wenn dies die anderen nun denken mögen. Meine wahrhaftigen Gedanken sind schon längst nicht mehr praiosgefällig, auch wenn ich mir dies ständig einzureden versuche. Ketzerei ist es, dass die Hilfe stets nur im Namen irgendeines Gottes erfolgt, niemals im Namen der Menschen selbst. Der Liebe zueinander. Und dies offenbart mir die Tragweite der menschlichen Korruption. Unfähig anderen zu helfen, so es kein Gott oder Ideal erfordert, sind sie wie Tiere, wenngleich die gefährlichsten. Sie fressen, sie paaren sich und sie kämpfen. Ich verzichte hier bewusst auf das Erwähnen der Liebe, denn tatsächliche Liebe geht ihnen abhanden.
Ich bezweifle auch, dass selbst Alena fähig wäre jemanden anderes so zu lieben, wie sie sich selbst liebt. Ein Kind zu lieben ist nicht schwer, jedes Rudeltier schützt den Nachwuchs der eigenen Gruppe, und das sogar mit seinem Leben. Eine Selbstverständlichkeit, die in unseren menschlichen Kreisen gar als großes Opfer angesehen werden würde. Natürlich muss der Mensch sich das einreden, anderenfalls könnte er daran erinnert werden, dass er, obgleich er das Potential dazu besitzt, sich nie von einem Tier unterscheiden wird.
Wahrhaftige Liebe ist nicht Opferbereitschaft, oder Freundschaft. Nicht einmal Zuneigung, denn Zuneigung kann man auch für einen Gegenstand, oder ein artfremdes Wesen empfinden. Wahrhaftige Liebe zwischen Menschen wäre absolutes Verstehen, die Fähigkeit zur Empathie, die Möglichkeit die Gefühle des anderen als die eigenen zu spüren, also nicht nur zu erahnen. Liebe und Hass sind gleich, denn beides setzt das Verstehen, das eigene Empfinden fremder Emotionen und Grundsätze vorraus. Hass ist lediglich die andere Seite des Erkennens. So jemand in einen Spiegel blickt und sich selbst erkennt, so er davon abgestoßen wird, hasst er. Wenn er sich jedoch selbst erkennt und sieht, warum er tat, was er tat, warum er fühlt, was er fühlt und dass er sich nicht davor fürchten braucht, gleich welch Schrecken oder welche Heldentaten er auch begangen haben mag, dann liebt er.
Es kann also nur die Liebe zu sich selbst geben. Die Liebe zu einem anderen Menschen ist also das Erkennen des eigenen Ichs in diesem. Es erscheint mir sinnlos zu erwähnen, wie schwierig es ist, unter all den fühlenden Menschen und Menschenartigen sich selbst wiederzufinden.
Natürlich gibt es andere Meinungen, natürlich werden immer wieder Menschen behaupten, dass sie lieben, weil der oder die Geliebte so anders ist, ergänzend, gerade das, was sie suchen und brauchen. Aber das ist eine Lüge, die sie sich selbst einflüstern um besseren Schlaf zu finden. Oder verehren sie auch eine dunkle Gottheit, weil sie selbst auf dem Pfad des Lichts wandeln? Es ist Zuneigung, jene Zuneigung die sie auch einem Tier entgegen bringen könnten, aber dieses könnte selbige nicht so stark erwidern.
Und so suchen sie die Götter. Allein aus dem Grund, dass sie nichts anderes zum lieben haben.
Aber die Götter haben keine Antworten. Sie sind wie von den Menschen selbst erschaffene Eltern, die ihre Kinder ständig in Abhängigkeit halten, und die Menschen suchen jene Abhängigkeit, damit sie keine Verantwortung für ihre Welt übernehmen müssen, sich die Ziele des Guten wie des Schlechten nicht selbst setzen brauchen.
Aber es ist eine Tatsache, dass Kinder nur dann richtig erwachsen werden, nur dann richtig zu blühen beginnen, wenn ihre Eltern sterben. Am Ende sind die Götter nur die Projektion unserer konzentrierten Emotionen. All ihre Prinzipien sind von Menschenhand gemacht, denn hier und da mag es jene geben, die die Wahrheit erkennen und ihr gerecht handeln. Aber gerade deshalb fürchten sich die anderen davor. Gerade deshalb suchen sie Nähe zueinander und geben gleichsam ihre Freiheit ab, wenn sie die Götter verehren. Sie begreifen nicht, dass wahre Liebe sie vor der Einsamkeit schützen kann, das Alleinsein aber ein Zustand ist, dem wir nicht entkommen können.
Hätte ich tatsächlich geliebt, hätte ich hier mein eigenes Selbst gefunden, so wäre ich nicht von der Furcht überwältigt worden, dass ich im Sterben allein sein werde. Das eigene Ich ist eins und viele, und so das erkannt wird, ist es gleich ob man allein ist, denn man ist niemals einsam. Aber das Erkennen erfolgt nur durch die Liebe, die Liebe wiederrum kann nur von dem freien, suchenden Geist erkannt werden, ein freier Geist ensteht jedoch nur, so die eigenen Grundfesten erschüttert und der Glaube, der einem aufgezwungen wurde, zerbrochen wird.

Es war nicht Praios Licht, das mir half, es war das Licht selbst. Praios ist nur eine Projektion, ein übermächtiger Vater, der über das Prinzip des Lichts wacht, damit die Menschen ruhig schlafen können. Wäre das Licht in ihren Augen frei, so würde sie die Tatsache äußerst beunruhigen, denn alles, was über den Horizont des Menschen hinaus geht, fürchtet er. Aber Furcht befreit auch, sie reinigt und zeigt auf, welches der richtige Weg ist.
Nach dem Gespräch mit der fremden Halbelfe, die ihre eigene Sklaverei als Geschenk anpries, und natürlich von den anderen darin unterstützt wurde, fiel mir wieder ein Gespräch ein, das ich einst am nostrischen Hof belauschte. Mehrere Adlige ließen sich darüber aus, wie gekonnt sie einen Aufstand in einem ihrer Lehen niedergeschlagen hatten. Die Menschen hatten gehungert, und da ihre selbstgewählte Sklaverei sie nicht mehr ernährte, erhoben sie sich, um den freien Willen wiederzuerlangen. Die Adligen aber waren fest davon überzeugt, dass sie das Richtige taten. Ich bezweifle, dass sie alle schlechte Menschen waren, jedoch gefangen in den Dogmen der Kirchen, in der Leibeigenschaft der Götter, beriefen sie sich auf die Prinzipien von Praios und mit ihnen hatten sie Recht.
Ich hielt es damals bereits für falsch und natürlich halte ich es bis heute für falsch. Aber der Umstand, dass ich mit Ängsten konfrontiert wurde, mit Dingen die mir fremd waren und sind, ließ mich den selben Fehler begehen und erschuf den wachsenden Wunsch nach einem sich kümmernden Vater, den ich nie gehabt hatte.
Aber hier, wo die Macht der aventurischen Kirchen nicht absolut und allgegenwärtig ist, hier konnten mich die Lügen ihrer Dogmen nicht blenden. Ich kämpfte und selbst im eigenen Todeskampf schien mir die Aussicht auf einen Platz im Reich der Götter nach meinem Tod verlockender, als das Vergessen und Verschwinden im Nichts. Ich begriff nicht, dass beides gleichsam sinnlos ist und das wahre Unsterblichkeit nur im Hier und Jetzt erlangt, nur durch den Dienst am Menschen erschaffen werden kann.

Verbittert? Vielleicht. Aber nur soweit wie jemand, der erkennt, dass er ein Leben lang belogen und um seine Freiheit betrogen wurde, der nun das einfordern will, was ihm gehört. Sind nicht jene Bauern, die hungerten und sich erhoben, ebenso verbittert gewesen? Warum ist ihre Bitterkeit gleichsam nobler in den Augen der anderen als die meine? Weil sie nicht ihre Götter anzweifelten? Aber das taten sie, allein indem sie sich erhoben.
Praios hat nicht das Licht erschaffen, Rahja nicht die Musik und Hesinde nicht das Wissen. Die Götter verändern sich niemals, aber etwas, das sich nicht verändert, kann auch nicht erschaffen. Vielleicht kann es imitieren, täuschen und überzeugen, aber tatsächlich Neues kann nur durch Veränderung entstehen. Indem Altes stirbt und Neues entsteht.
Ich leugne die Götter und ihre Macht nicht, noch leugne ich ihre Wichtigkeit oder die ihrer Prinzipien. Aber ich muss das Gute nicht verehren, nur um Gutes zu tun und ein guter Mensch zu sein. Verehrung sollte ich lieber jenen Menschen entgegen bringen, die nach ihrer Freiheit, nach den Sternen greifen, obwohl sie gefesselt wurden. Denn wenn die Götter unsere fleischgewordenen Ängste, Hoffnungen und Gefühle sind, dann sind sie nicht schlecht, aber auch nicht gut. Sie sind das, was wir ihnen zugestehen, ein Teil unseres eigenen Selbst.
Magie ist falsch. Ihre Macht leugne ich, denn in ihr liegt keine. Sie ist eine Verblendung, eine Täuschung. Ein Mensch benötigt keine Magie um seine Freiheit zu erlangen, aber sie gaukelt es ihm vor. Durch den Frevel werden manche mit dem Makel oder der Gabe geboren, aber es ist nicht die Masse. Die Masse schlussfolgert mit ihrem einfachen Verstand, dass die Begabten oder Verfluchten allein dazu imstande sind, sich mit ihrer scheinbaren Macht zu befreien. Ihnen wird dadurch Hoffnung genommen, sie werden geblendet. Jene, die sie besitzen, lassen sich von ihr verführen, streben nach mehr, damit sie weitere unsichtbare Fesseln durchschneiden können, dabei erahnen sie nicht, dass sie weniger, eigentlich nichts von ihr bräuchten, um dies zu tun.

Die Menschheit benötigt keine Magie, um Forschritt zu erlangen, um sich selbst zu heilen und gute Dinge zu vollbringen. Sie vermittelt Wissen und mag tatsächlich Fortschritt bringen, aber sie überspringt den Prozess des Lernens. Und nur weil ich nicht in einer utopischen Welt leben mag, so können das vielleicht die Kinder meiner Enkel, so ich lerne und all jene, die nach mir kommen. Ein Kind lernt die Gefahr eines scharfen Messers nicht, wenn es sich bei jeder Verletzung durch selbiges heilt, oder geheilt wird, wenn ihm durch Magie die Schmerzen genommen werden.

Die Menschheit benötigt die Götter. Sie wird immer an etwas Glauben und eine Personifizierung der eigenen Wünsche und Ängste ist für viele, die nicht stark genug sind, die einzige Möglichkeit auf ihre Ziele zuzuschreiten. Abhängig sollten sie sich von ihnen jedoch nicht machen. Die Götter beurteilen uns nicht und eine Bestrafung ihrerseits ist eigentlich nur eine Interpretation unsererseits. Sie sind einfach da, immer, und zeigen uns, was wir erreichen, was wir sein könnten. Der Fehler auf unserer Seite ist es, den herbeigewünschten Personifizierungen mehr Beachtung zu schenken, als den Prinzipien selbst. Die Liebe ist wichtiger als Rahja, ihre Hüterin.

Ich kann niemals zurückkehren. So wie ich heute die Welt sehe, so wie der Samen dafür bereits in meiner Kindheit gepflanzt wurde, so kann ich in meiner Heimat nicht mehr existieren. Und ich kann andere nicht befreien, wenn ich mich selbst nicht befreit, mich selbst nicht erkannt und geliebt habe.
Ich hoffe die anderen, insbesondere Alena, können mir verzeihen für das, was ich den Feen antun werde. Aber so ein zerrütteter Geist als Mahnmal benötigt wird, so bin ich bereit mein Schicksal anzunehmen.

In Erwartung der Freiheit,
Finnwaen Rothair

Amilcare

Nach vielen Tagen findet sich ein erneuter Eintrag im Tagebuch, jedoch in anderer Schrift und kurz, obgleich er eine ganze Seite einnimmt.




Das Nachtlicht wartet

Amilcare

Der letzte Abend war ereignisreich, das von Remi organisierte Treffen im Badehaus fand statt. Im Nachhinein bedauere ich, wie meine Unfähigkeit die eigenen Ängste zu überwinden wieder einen Streit provozierte. Ein erneuter Traum vom Schrecken von Grauweiler gab mir wieder Ruhe, wobei ich nicht denke, dass das Gedenken an das Töten mir tatsächlich Befriedigung und Sanftmut in der Wirklichkeit verleiht. Es ist mehr wie eine Bestätigung, ein Anker, dass nicht all das, was ich einst auf der anderen Seite des Portals erlebte nur erdacht ist.
Ich weiß nicht, warum ich Angst habe und ich weiß auch nicht, warum ich mit jedem Umlauf, der vergeht, mehr Wut in mir verspüre. Ich weiß nicht wer sich in meinen Raum schlich und in mein Tagebuch kritzelte, ich weiß nicht, warum mein einst so scharfer, ausgeglichener Verstand nun so heftig von irdischen Gelüsten übermannt wird. Seitdem ich hier bin, spüre ich die Wut und mehr, während mir die Arme der Götter keinen Trost spenden. Sie sind hier so unglaublich fern. Keine Geweihten, keine Tempel in ihrem Namen.

Ich habe letzte Nacht auch von Eilidh geträumt, von dem einen, speziellen Abend. So lange habe ich das verdrängt, tief in mir begraben und konnte gut damit leben. Und jetzt, wo all das in mir wütet, wirkt es so als hätte der Zorn das Grab aufgerissen, in dem ich diese Erinnerungen versteckte, nur um mir zu zeigen, dass ich bereits früher einmal so wütend war. Obgleich es weit entfernt scheint, wie in einem anderen Leben, so fühlte es sich doch anders an.
Möglicherweise hat Langiva doch recht und ich werde zu einer Gefahr für die einzige Person, für die ich mich zu öffnen bereit war. Ich habe nie Verbündete gebraucht, nie Freunde an mich heran gelassen. Vielleicht das einzige, das mein Vater mich wahrhaftig lehrte. Es wäre ohnehin nur hinderlich gewesen, ich war auf der Flucht, auf einer endlosen Reise ohne Wiederkehr und wie ein Schiff, das zum Horizont segelt, brauchte und wollte auch ich keinen Anker, der mich festhielt. Hat sich das geändert?

Nach dieser Nacht erscheint es mir nicht wahr, dass das Verlangen für Langiva echt war, als diese sich in diesem seltsamen Raum schwitzend und kaum bekleidet neben mir räkelte. Es war dort und zweifelsohne hätte ich ihm nachgegeben, sie verschlungen, wäre ich nicht der Mann, der ich immer war. Ich glaube nicht, dass sie das verstehen kann, vielleicht kann das keiner. Meine Lust war stets Energie, die ich als Kraft in das fließen ließ, das ich schuf. Rahja stand mir immer nahe, auch wenn ich das nicht sehen mochte. Ich liebe die Musik, die Poesie, die Kunst im Allgemeinen. Und ich vermisse es meiner Seele, meinen Bedürfnissen freien Lauf zu lassen, mich einfach auf meinen Reisen auf einer blühenden Wiese auszustrecken und dort eine Melodie zu spielen, die niemandem außer mir gefallen muss. Und da Rahja mich in all diesen Aspekten segnete, ist es natürlich so, dass ich auch auf Reisen stets den Anblick einer schönen Frau zu schätzen wusste. Allerdings habe ich nie Rahja auf diese Art gehuldigt, nicht weil ich es nicht hätte tun können, Musik und das Aussehen, das ich vor dem Feuer besaß, sorgten stets für die Nähe von genügend interessierten, ob Bauernmädchen oder Hofdamen. Vielleicht tat ich es wegen Eilidh nicht, oder weil ich mehr an die Liebe Travias glaubte. Es erschien mir einfach nicht notwendig. Ich habe gesehen, wie Musik die Menschen verändern kann, das gleiche vermag ein Gedicht, oder ein Bild mit einer neuen Perspektive. Ich sah jedoch niemals irgendjemanden, der sich durch Rahjas einfachste Freuden irgendwie zum besseren verändert hätte, sich besser hätte entfalten und die Welt reicher beschenken können.
Auch Rohal war mir hier ein Vorbild. Etwas zu tun, nur um es zu tun, ist nie erfüllend und oft sogar falsch. Das Ziel muss es sein, die Welt zu verbessern, alle Menschen reicher und glücklicher zu machen. Reiner Eigennutz funktioniert, ohne jemanden zu verletzen, nur allein und am besten auf einer abgelegenen blühenden Wiese mit einer Laute in der Hand.
Langiva mag eine beeindruckende Frau sein, aber sie wird wahrscheinlich nie den Klang einer gezupften oder gestrichenen Saite so verinnerlichen können, wie es die Frau kann, die ich tatsächlich lieben möchte. Liebe heißt für mich die Welt gemeinsam zu sehen, zwei Seelen zu verbinden und in Harmonie zu sein. Einzelne, fremde Töne können sich wunderbar einfügen und damit ein ganz neues Stück ergeben, zwei grundverschiedene Melodien bringen nur Disharmonie.

Ich denke, ich werde für das, was ich im Zorn sagte, mit einer Entschuldigung bei ihr aufwarten müssen. Nicht für das Begehren, dass sie in mir weckte, immerhin ist sie daran selbst schuld. Man kann nicht erwarten, mit einem bei Nacht entzündeten Leuchtfeuer nur die Motten zu fangen, die man haben möchte.
Nein, aber für den Zorn und dafür, dass sie mir trotz allem Hilfe anbot und ich sie wieder ausschlug. Allerdings wird dies vielleicht schwierig, Hexen hassen ja bekanntlich genauso gern wie sie lieben. Vielleicht werde ich aber auch erneut überrascht.


Gezeichnet,
Finnwaen Rothair




PS.: Ich habe erneut Nasenbluten, ich denke ich sollte wieder zügig den Heiler in der Grabgasse aufsuchen.