(x) Weilersbacher Geschichten

Started by Jamapi, 17. März 2006, 15:37:52

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Jamapi

Irgendwann im 197. Jahr nach der Großen Pause in der "Großen Pause"

Die "Große Pause" war groß - zumindest für Hin-Verhältnisse. Und irgendwie schien sie stets einen gewissen Geräuschpegel zu haben, der nicht zuletzt von den beiden Zwillingsschwestern kam, die die Bestellungen über das Lärmen der Taverne brüllten. Hin und wieder natürlich auch Getuschel der beiden Zwillinge - tuscheln konnten sie immerhin auch. "Wie? Was? Wirklich? Zweimal? Na, wenn da aber mal eure Frau nicht noch ein Loch in den Gürtel... ach, was soll's."

"Ein Butterbier, zwei mal das 2. Frühstück und schon einmal das Mittagessen!"
"Annabeeeelle?"
"Jaaaaaaaaa?"
"Wieviel Bestellungen hast du denn heute schon aufgenommen?"
"Kunden oder Essen?"
"Essen!"
"24!"
"Mist, verdammter! Und Kunden?"
"14!"
"Ach, menno."
"Jaaaaahaaaa! Ich führe!"


So schallte es manchmal über den Köpfen und dem Geschirr der Dorfbewohner und der Gäste und der Reisenden, die in der "Großen Pause" ... nun ja, eben Pause machten. Manche Leute machten häufiger Pause, manche manchmal weniger.

Wie dem auch sei, unsere "Große Pause" war selten leise und noch viel seltener leer. Es herrschte immer eine rege Geschäftigkeit, wie man es sich wohl bei einem Bienenstock vorstellen dürfte. Irgendwie wuselte es um einen herum und wenn man größer als die Halblinge war, dann merkte man meistens nur irgendwas in Beinhöhe an einem vorbeizischen, was dann um so häufiger zu einem lauten Stimme wurde - überraschend laut für diese kleinen Wesen - "Einmal Rührei ohne Rührei bitte!".

Die "Große Pause" hatte mehre wichtige Räume. Einmal der Eingangsraum. Der war natürlich wichtig, denn um Pause zu machen, musste man erst einmal die Welt da draußen hinter sich lassen und eben ... nun ja, "reinkommen" eben. Dort wurde man dann auch meist von Viola begrüßt. Direkt hinter Viola ging es dann in die mietbaren Zimmer, die eigentlich immer ziemlich gut belegt waren. Dann gab es natürlich noch den Schankraum - ohne Frage war der ungeheuer wichtig, denn hier wurde ausgeschenkt und gab es Schwank noch und nöcher, aber dennoch gab es da auch noch das Herz der "Großen Pause". Und in diesem Herz stand Guthilde immer mit einer Schürze und hochgekrempelten Armen und fuhrwerkte, was das Zeug hielt. Wer einmal in einer Hin-Taverne in einem Hin-Dorf in der Küche gestanden hat, der dürfte wissen, wie anstrengend das sein sollte und wie viel so kleine Wesen wirklich wegstecken konnten. Die Reisenden waren normalerweise gar nicht einmal das Problem - die aßen verhältnismäßig wenig, aber die Halblinge ... das waren wahre Essensvernichtungsmaschinen.

Guthilde stand dort also, die Haare natürlich sorgsam unter einer Haube verborgen, damit auch bloß kein Haar ins Essen fiel und arbeitete in der heißen Küche. Mehrere Pfannen galt es, zu jonglieren, mehrere Töpfe gleichzeitig im Auge zu behalten und dann natürlich immer wieder neues Gemüse zurechtschneiden. "Ich brauch mal neuen Kohl!", hörte man einen geschäftigen Ruf dann auch mal häufiger aus der Taverne, wobei "Kohl" hier natürlich nur stellvertretend für alle möglichen Sachen stand. Gekicher hörte man von den Zwillingen, wenn es hieß "Ich brauch mal Viola!", denn dann hatte sich Guthilde wohl verbrannt - was durchaus all zu schnell bei dem Betrieb hier passen konnte.

Selten geschah es, dass Guthilde, die Arme, in der "Großen Pause" einmal auch das bekam, was draußen an der Tür stand - eine Pause. Wer den Halblingstagesablauf kennt weiß, dass dieser zu einem großen Teil durch Mahlzeiten strukturiert ist. Das mochte er bei Menschen und anderen zwar vielleicht auch sein, aber dennoch war die Vielzahl der unterschiedlichen Mahlzeiten bei Halblingen schließlich schon fast legendär. Da gab es das erste Frühstück, das zweite Frühstück, den Tee vor dem zweiten Frühstück und den Tee nach dem zweiten Frühstück, da gab es dann die Vorspeise zum Mittagessen und dann den Nachtisch und Kaffe und Kuchen und dann gab es für manche Leute auch noch einmal ein zweites Mittagessen und so weiter und so fort. Essen war also wirklich tagesablaufbestimmend bei den Halblingen - nicht so gemogelt, wie bei Menschen. Zumindest wurde dies Guthilde immer mehr bewusst. Dennoch, sie liebte ihre Arbeit. Sie liebte sie. Sie mochte es, zu kochen, sie mochte es, anderen eine Freude zu bereiten und Halblingen machte man durch ein gutes Essen eigentlich stets eine Freude. Und ... naja, erst einmal nichts "und" oder lassen wir das zunächst vielleicht einmal.

Wie jedenfalls gesagt, selten bekam Guthilde einmal eine Pause. Und doch sollte sie eines Tages diese eine Pause einmal haben. Es war ein Fest in Fürstenborn. Irgendeines - sie hatte es nicht sonderlich mitbekommen. Sie war auch noch nicht einmal darauf vorbereitet, aber ... es musste dort etwas zu Essen geben. Denn die Taverne war immer noch leer. Zugegeben, es war erst die Zeit des 1. Frühstücks, aber dennoch war die Taverne überraschend leer. Zugegeben, es waren bereits 4 Halblinge da, die schon spachtelten, aber das war irgendwie so wenig im Vergleich zu sonst. Und so blickte Guthilde hinaus in den Schankraum und seufzte leicht. Irgendwie gefiel es ihr dann doch schon besser mit dem ganzen Lärm und der ganzen Beschäftigung. Denn ... was jetzt machen? Die Gäste waren bereits am Essen und vorbereiten musste sie auch noch nicht.

Sie schaute sich noch ein paar Mal um - vielleicht sollte sie einmal ...? - und ging dann zur Theke. Bando warf sich sein Handtuch über die Schulter und setzte ein gewinnenbringendes Lächeln auf: "Na, meine beste, was gibt es?"
"Nichts. Also ... irgendwie ... gib mir mal irgendetwas zu trinken."
"Irgendetwas zu trinken, meine Beste. Kommt sofort", und mit einem Schwung, der seinesgleichen suchte fuhrwerkte der auch gerade leicht unterbeschäftigte Bando hinter der Theke umher.
"Weißt du, Bando, manchmal ..."
"Wie? Was? Sagst du? Ich höre dich gerade nicht...", Bando war gerade unter der Theke weggetaucht, um etwas zu holen und kam wieder zum Vorschein.
Guthilde winkte nur ab: "Ach, nichts, nichts."
"Na, dann mache ich mich mal daran, dir etwas ganz ganz tolles zu bereiten", und schwupps war Bando wieder beschäftigt.
Guthilde seufzte einmal tief: "Weißt du, Bando, manchmal denke ich, dass es doch eigentlich ziemlich schade ist, dass..."
"Wie? Ich habe dich schon wieder nicht gehört, meine Beste...", und wieder tauchte er hervor.
Und abermals winkte Guthilde mit einem Lächeln ab: "Ach, schon gut. Ist nicht so wichtig."
"Na dann", und kaum gesagt verschwand er wieder, doch war auch schon bald wieder da und präsentierte Guthilde einen dampfenden Krug. "Hier, meine Beste, extra für dich gemacht."
Guthilde lächelte dankbar: "Was ist das?"
"Bardenmet, gut für die Stimme, wohltuend für die Seele, und immer gut für die Stimmung", Bando grinste über das ganze Gesicht. "Also, was wolltest du mir sagen, meine Beste?"
Guthilde betrachtete sich den Krug, dann Bando und blickte dann den Krug wieder eine Weile lang an, ehe sie sagte: "Danke."
"Ach, nichts für ungut", Bando lachte ausgelassen und fröhlich. "Mache ich doch gerne für dich."
Guthilde lächelte sacht, trank ein wenig und erhob sich dann wieder: "Ich denke, ich gehe wieder in die Küche. Vielleicht kommt ja doch noch der Ansturm."
"Ja, vielleicht. Aber du weißt ja, du bist hier an meiner Theke jederzeit willkommen."
"Ja, ich weiß", sie atmete einmal tief durch und murmelte dann etwas leiser, was der bereits wieder summende und thekenputzende Bando nicht mehr hörte: "Nur ist dafür irgendwie so selten wirklich Zeit."

So tappste die Halblingsdame dann wieder in ihr Reich, in ihre Küche und trank dort den wohltuenden und angenehm duftenden Bardenmet. Dies war einer der wenigen Tage, in denen es selbst für Guthilde in der "Großen Pause" eine - zugegebenermaßen eher kleine - Pause gab.
Gwendolyn Lilienblatt: The Tenth Muse (Synchro: Yui Horie); Loss of Me FF9
Jeanne Boucherat: The Coquette (Synchro: Renée O'Connor); Eyes on me FF8
Araza'shasehnae: The Lady of Shalott (Synchro: Mira Furlan); Aerith's Theme FF7
Ranja: The Jungle Books (Synchro: Eliza Dushku); Cosmo Canyon FF7

Jamapi

198. Jahr nach der Großen Pause, Frühjahr, Fürstenborn, großer Rat

"...so schließe ich hiermit mein Plädoyer und bedanke mich herzlichst für das Zuhören in dieser überaus wichtigen, brisanten, hochaktuellen, allumfassenden und pikanten Angelegenheit, die Damen, die Herren", Bartholomeus verbeugte sich beim Nennen des jeweiligen Geschlechtes höflich und wichtig in die Richtung der jeweiligen Vertreter eben dieses Geschlechtes. Er strich sich noch einmal den Anzug glatt und setzte sich zufrieden auf den Stuhl - oder besser gesagt: er kletterte wieder auf den Stuhl zurück. Denen hatte er es aber gezeigt in einer brillianten rhetorischen Meisterleistung. Da konnten sie schließlich nichts mehr dagegen sagen und er hätte endlich das erreicht, was er erreichen wollte. Ein großer Moment für Weilersbach und ein noch größerer Moment für ihn. Nie war ein Tag schöner gewesen, nie war er glorreicher gewesen, nie war die Schlacht aussichtsloser, das Vorhaben edler und nobler und nie war der Held selbstloser. Noch in Generationen würden die Halblinge in Weilersbach von ihm erzählen. Von ihm und dem, was er heute erreicht hatte - für sie, für sie alle. Bartholomeus lächelte zufrieden und strich sich ein paar Fluseln von seinem Anzug.

Es wurde ein wenig beraten, ein wenig diskutiert, was wir an dieser Stelle abkürzen können, bis dann die Worte an ihn erhoben wurden: "Herr Stadtteilvorsteher Bartholomeus Rosenhain..."

Bartholomeus zuckte fast ein wenig schmerzhaft zusammen bei diesen Worten und korrigierte leise, aber durchaus bestimmt: "Herr Bürgermeister Bartholomeus Rosenhain..." Wann würden sie es denn endlich lernen, dass ...? Ach, egal, dies war der Moment seines Sieges, das wusste er. Schon seine Kamapagne gegen Ruffy war ein guter Schritt in diese Richtung gewesen, ansonsten hätte Ruffy ihm alles versaut, wenn er nicht dezent und sehr subtil auf §3, Absatz I der Wahlordnung aufmerksam gemacht hätte. Es war nur ein kleiner Hinweis, aber ein dennoch wichtiger Teil des Planes, denn ... Ruffy hätte alles zunichte machen können! Und nun konnte er endlich die Früchte seiner Tat ernten. Aber ... wieder zurück aus den Gedanken, Bartholomeus, zurück zur Ratssitzung.

"...wir stimmen eurem Antrag nach reiflicher Überlegung zu, dass Weilersbach nun endlich...", den Rest der Worte hörte Bartholomeus schon gar nicht mehr. Sein Herz raste, seine Augen leuchteten. Geschafft! Er hatte es endlich geschafft! So viel Mühen, so viel Arbeit und es war endlich gelungen. Oh, sie würden ihn wie einen Helden empfangen. Ach, das würden sie auch so. Schließlich war er ein Held und dies würde den Grundstein dafür legen, dass auch noch folgende Generationen mit Ehrfurcht sagen würden: "Ja, das hat der großartige und unvergleichliche Bartholomeus Rosenhain gemacht." Aber damit dies auch nicht vergessen wurde, musste er noch ein paar Sachen machen. Er brauchte jemand, der es eingravierte: "Erkämpft von Bartholomeus Rosenhain" oder etwas ähnlich klangvolles. Ja, so etwas brauchte er. Da müsste er sich noch genauere Gedanken machen.

Ach, wie stolz Iris wohl auf ihn sein würde. Sie schimpfte ja immer mal wieder ... ein wenig ... ganz selten ... eigentlich nie, denn sie himmelte ihn ja eigentlich an und jetzt würde sein Frauchen noch viel stolzer auf ihn sein, nach dieser Tat. Und so verließ er die Ratssitzung dann schließlich mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen. Nur musste er es noch irgendwie verkünden. Hm, verkünden, ja, eine Rede musste gehalten werden. Das sicherlich. Das würde schwer werden - also sich kurz zu fassen würde schwer werden. Und dann brauchte er noch eben jemand, der gravieren konnte. Ach ja, und jemand musste dann diese Straßenlaterne natürlich auch noch aufstellen, für die er so hart gekämpft hatte.

Er ... für Weilersbach. Was hatte er doch für ein gutes Herz und was hatte er doch für einen hohen moralischen Sinn, dass er seine ach-so-wichtige Position nicht für sich selbst, sondern für das Dorf einsetzte. Weilersbach konnte schon froh sein, einen Bürgermeister wie ihn zu haben. Ja, das konnten sie.
Gwendolyn Lilienblatt: The Tenth Muse (Synchro: Yui Horie); Loss of Me FF9
Jeanne Boucherat: The Coquette (Synchro: Renée O'Connor); Eyes on me FF8
Araza'shasehnae: The Lady of Shalott (Synchro: Mira Furlan); Aerith's Theme FF7
Ranja: The Jungle Books (Synchro: Eliza Dushku); Cosmo Canyon FF7